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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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lassen. »Bei dieser idyllischen Alleinlage ist das keine Garantie dafür, daß tagsüber nicht vielleicht doch irgendwelche Finsterlinge auftauchen, aber ... Und, tut mir leid, in den nächsten Tagen möglichst keine Ausflüge.«
    »Wieso tut Ihnen das leid?«
    »Ich hätte Sie und dich, Rapunzel, sonst sehr gern auf einen Schluck sauren Wein und ein Häppchen zaches Fleisch in die
Spelunke
eingeladen. Müssen wir nachholen.«
    »Was hat Albo eigentlich bei euch gegessen, apropos Fleisch?« sagte Rapunzel.
    Matzbach kratzte sich den Hinterkopf. »Albo? Afrikanische Gemüseaufläufe, wenn ich mich recht entsinne, und zwischendurch auch mal ein Stück Fleisch oder Fisch. Wieso?«
    »Normalerweise war er Vegetarier; ich hab mich bloß gefragt, was er immer in einem normalen Lokal macht.«
    »Also, erstens kann er kein reiner Körnerfresser gewesen sein; wie gesagt hat er gelegentlich Fleisch in den Mund genommen, auch vor seiner postumen Atzung.«
    »Baah.« Päffgen versuchte sich zu schütteln, was ihr aber wegen des Grinsens nicht ganz überzeugend gelang.
    »Und zweitens – wer hat behauptet, daß die
Spelunke
ein normales Lokal ist?«
    »Was ist denn bei euch unnormal, abgesehen davon, daß ihr schwimmt?« sagte Rapunzel.
    »Zum Beispiel die Besitzer. Und der Koch. War mal Schiffskoch, ist er jetzt ja wieder, aber ich weiß nicht, wie viele Angehörige des ruhmreichen Volks der Aschanti in Mitteleuropa als Schiffsköche tätlich sind. Der Kellner, oder Majordomus, hat früher in einem Zirkus allerlei wilde Tiere geritten; er ist Cheyenne. Und bei uns gibt es – und ich glaube, da sind wir wirklich die einzigen weit und breit – kein Hintergrundgedudel.«

4. Kapitel
    Schnaps ist der Lebenszweck des Temperenzlers.
    R HEINISCHER V OLKSMUND
    Als Matzbach sich der
Spelunke
näherte, bemerkte er zuerst den furchtbaren Lärm, der den Verkehr auf der Uferpromenade zu übertönen versuchte und Musik sein wollte. Er kam eindeutig vom Schiff. Danach sah er, fein vom hellblauen Osthorizont umrissen, Felix Yü auf dem Dach Kung-fu oder Schattenboxen oder etwas ähnlich Spannendes betreiben.
    Knurrend und murrend stieg er die steile Treppe hinab und ging über den Anleger. Zwischen den beiden Auf- bzw. Niedergängen zögerte er, tauchte dann unter der VIP-Treppe durch in die Kombüse. Nomey Tshato, Aschantifürst, 1,95 groß, mit mächtigen Muskeln ausgestattet, blickte von dem Hackbrettchen hoch, auf dem er Petersilie guillotinierte. Seine weißen Zähne blitzten.
    »Massa!«
    »Na?«
    »Na was!«
    »Und?«
    »Na nix!« Die gewaltigen Schultern hoben sich kurz.
    Matzbach klopfte ihm auf den Rücken. »Es ist immer ein Vergnügen, sich mit eloquenten Personen zu unterhalten.«
    Tshato legte das Hackebeilchen beiseite, nahm mit spitzen Fingern ein Liebstöckel, hielt es hoch und redete es an. »Es gibt da feiste Unholde, die sich über arme Neger lustig machen. Was sollte man mit ihnen tun? Richtig – Kopf ab!« Er rupfte das größte Blättchen vom Stiel.
    »Wohlan denn, mein Sohn, schreite fort auf diesem Pfad!« Matzbach blickte zum Speiseaufzug, murmelte etwas von gähnender Ödnis und verließ die Kombüse.
    Im VIP-Teil des Oberdecks – Neon, Chrom und Glas sowie andere Zutaten der Unbehaglichkeit – saß niemand, außer den lebensechten Gipsfiguren von Genscher, Reagan und Gorbatschow, die an einem Ecktisch in ihre immerwährende Pokerpartie vertieft waren. Matzbach salutierte und nahm den Kombüsendurchgang hinter den Tresen. Von dort kam der Lärm, und dort tobte das Leben.
    Vor dem Tresen hockte, die Stelzen neben sich, Zaches der Zwerg. Über den Rand seines Rotweinglases starrte er auf den Monitor. Jemand hatte die Überwachung auf »Schankraum« geschaltet; die Kamera oben an der Rückwand zielte auf Zaches. Matzbach erinnerte sich, daß der Kleine am vergangenen Abend auf dem nächsten Hocker links neben dem jetzigen gehockt und Bier getrunken hatte; auf dem Monitor überlagerten sich die gestrigen Aufnahmen – wer hatte ein Video eingelegt? – und die des Moments: zweimal Zaches nebeneinander, einmal mit Wein, einmal mit Bier. Matzbach schaltete das Gerät aus und entnahm die Videokassette: 240 Minuten. Als er aufblickte, sah er Zaches weinen. Zähneknirschend drehte Matzbach die Lautstärke des Musikgerätes herunter.
    »Was hast du?«
    Zaches blickte ihn tieftraurig an. »Jetzt bin ich wieder einsam!«
    Der Schankraum war unbelebt, bis auf Matzbach und den Zwerg. Wie angelockt von der jähen Stille

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