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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Wegelagerer-System geworden, Rapunzella mia. Nach dem Krieg, heißt es, sind ehrenwerte Leute in die Politik gegangen, um das Land wieder aufzubauen und dafür zu sorgen, daß sich derlei Katastrophen nicht wiederholen. Solche Formen von romantischem Idealismus sind passé; man sollte sie als Erwachsener auch nicht erwarten. Daß die Jungs und Mädels heute in die Politik gehen, um Karriere und Knete zu machen, ist okay – oder wäre in Ordnung, wenn sie ihren Job erledigen würden. Das tun sie aber nicht. Mit der einen Hand erhöhen sie ihre Diäten, mit der anderen kürzen sie die Sozialhilfe, und mit beiden Augen hängen sie am nächsten Wahltermin. Es geht nur um die Posten, nicht um die mit den Posten verbundene Arbeit. Wenn Albo da ein paar Milliönchen abgezweigt hat, und du gibst sie Theo mit den Raupenbrauen – meinst du, der macht daraus einen einzigen Kindergartenplatz oder eine ABM-Stelle? Oder reduziert die Staatsverschuldung?«
    »Du redest dich ja richtig in Rage!« Sie lachte matt. »Daß ich das noch erleben darf! Baltasar zetert.«
    »Er zetert nicht, er versucht nur, dir klarzumachen, daß Helmut Baba und die vierzig Räuber die nächste Karawane auch dann plündern werden, wenn du ihnen Albos Sparschwein in die Sesamhöhle schleppst. Das geht von oben bis unten durch – wir hatten doch erst vor kurzem in Bonn den seligen Tag, an dem in der gleichen Ratssitzung zuerst fünfzigtausend für ein Landschulheim gestrichen und gleich danach achtzigtausend für einen neuen Dienstwagen des Stadtdirektors bewilligt wurden.«
    Sie seufzte. »Ich weiß es doch. Trotzdem ...«
    Hermine nahm die Beine vom Hocker und setzte sich auf. »Das kann ja keine Sau aushalten«, sagte sie. »Müßt ihr hier politische Grundsatzdebatten führen? Und glaubst du wirklich an den Weihnachtsmann, den Klapperstorch und die Republik, Rapunzel? Wenn du noch Angst haben müßtest, daß man dich erwischt ... Bis jemand dahinterkommt, bist du doch längst außer Reichweite!«
    Das Telefon klingelte. Matzbach stand auf. »Das wird New York sein. Entschuldigt mich.«
    Es war aber nicht New York, sondern ein Mann namens »HAUP-komßar LU-dewich«. Hauptkommissar Ludewig behauptete, es sei gut, daß er gleich Matzbach an den Apparat bekommen habe. Es sei erstens ein Stab gebildet worden, um die diversen Delikte wie Mord, Sachbeschädigung durch Sprengsätze und Erpressung koordiniert zu verfolgen; zweitens sei nun er dafür zuständig, denn drittens habe HK Freiberg in einer anderen, schon länger behandelten Angelegenheit, in der es neue Aspekte gebe, die Stadt verlassen und ihm viertens aufgetragen, notfalls höflich zu sein, was er fünftens zu befolgen gedenke, solange Matzbach sich zivilisiert und zurückhaltend aufführe, wozu sechstens gehöre, daß er sich umgehend mit Frau Ra-wasP-punzel Schmidt zu deren Wohnung zu verfügen habe, von wo aus siebtens LUdewich nun anrufe, weil man dort achtens eingebrochen habe. Und zwar neuntens sofort bitte.
    Rapunzels Wohnung sah scheußlich aus. Angeblich hatte im Haus niemand etwas vom Aufbrechen der Tür gehört; vielleicht war es professionell leise geschehen. Alles war durchwühlt, die Bücher aus den Regalen geworfen, Schubladen aufgezogen und ausgekippt, der Inhalt aller Schränke herausgefegt und großzügig verteilt. Matzbach rauchte auf dem Balkon eine Zigarre und blickte hinab ins Melbtal, während Rapunzel mit dem untersetzten, glatzköpfigen Ludewig eine Begehung vornahm.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich müde. »Dinge wie Kontokarten, Schecks und Sparbücher hatte ich mitgenommen, als ich zu meiner Freundin geflüchtet bin. Soweit ich das überschaue, scheint nichts zu fehlen. Es ist bloß einiges kaputt.«
    Sie mußte mehrere Zettel unterschreiben und abermals versichern, daß sie keine Ahnung habe, was wer auch immer bei ihr gesucht haben könnte. Matzbach war gerade dabei, feierlich zu versprechen, daß er am Montagnachmittag »zum Rapport« im Präsidium erscheinen werde, als der vorsorglich schon von Brenig aus alarmierte Mann vom Schlüsseldienst eintraf und ein provisorisches neues Schloß zu montieren begann. Kurz nach sechs konnten sie wieder fahren; Rapunzel weigerte sich, auch nur einen einzigen Handschlag zu tun.
    »Aufräumen ... Igitt. Irgendwann, wenn ich mich seelisch darauf vorbereitet habe.«
    Auf der Rückfahrt nach Brenig wechselten sie kaum ein Wort. Matzbach summte zwischendurch; Rapunzel schien zu brüten oder zu dösen. Irgendwann sagte

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