Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
sie:
    »Du meinst also, das Geld behalten ist so was wie Notwehr?«
    Baltasar nickte. »Notwehr, genau – wie Steuervermeidung, Grauarbeit und andere Nettigkeiten. Yü oder Konfuzius würden sagen: Die Krawatte der Fürsorglichkeit wurde zu eng um den Hals des Untertanen geschlungen; wenn nun der Gewürgte, unvernünftig dem freien Atmen und Denken verhaftet, mit frivolem Finger den Kragenknopf sprengt und die Seidenschnur lockert, ist das Gezeter der Mandarine ob unkorrekter Kleidung ebenso hohl wie der Regenwolke Verdrossenheit ob des Wanderers, der einen Schirm aufspannt.«
    Sie stöhnte. »Mein Gott, das ist aber gnadenlos kompliziert.«
    »Kompliziert? Ich fürchte, das Ganze ist gnadenlos einfach. Und einfach gnadenlos.«

11. Kapitel
    Wer sich durch Geld den Charakter verderben läßt, ist aus dem Gröbsten raus.
    B ALTASAR M ATZBACH
    Matzbach ließ sich von Yü vor
La Marmite
absetzen; er kam ein wenig zu früh, so daß er noch ein paar Worte mit dem Besitzer wechseln konnte. Pierre, den es von Montpellier über Australien nach Bonn verschlagen hatte, begrüßte ihn mit einer der üblichen Verfumfeiungen unter alten Bekannten, beklagte die Perfidie des Wetters und machte ein paar spöttische Bemerkungen über die hermetischen Rituale deutscher Jäger – einer von ihnen hatte, als Pierre für die neue Saison Hirschhoden (Teil der Vorspeise
Salade Abélard
) bestellte, mit deutlich ausländerfeindlichem Unterton auf »Brunftkugeln« bestanden und wollte auch keineswegs Reh, Wildschwein etc. abgezogen liefern, sondern allenfalls »aus der Decke geschlagen« und mit »abgeschärftem Haupt«, und welch ein waidpolitisch korrekter Aufwand an Euphemismen! Matzbach nannte ihm noch ein paar besonders absurde Wendungen, nahm dann am reservierten Tisch Platz und lernte die Karte auswendig.
    Punkt acht Uhr betrat eine Dame mittleren Alters das Lokal und sah sich um. Wie Matzbach amüsiert feststellte, kam er nicht in Betracht; sie musterte lediglich die Herren mit Schlips und Anzug, die aber alle nicht solo waren. Pierre geleitete sie zur richtigen Adresse; den Händedruck kalkulierte Matzbach auf maximal zehn Millibar. Fast unauffällig inspizierte sie sein offenes, über der hellen Cordhose hängendes Khakihemd mit Halbarm und ließ sich nieder. Sie trug ein Rohseidenkostüm, Pagenfrisur in mattem Edelgrau, teure Ohrringe, sehr teure Steine an den Fingern, lange rote Krallen, dezentes Make-up und ein falsches Lächeln.
    Dieses verflüchtigte sich bald; unter der Maske, sondiert von Matzbachs Fragen, erstreckten sich Flöze aus Verbitterung und Unverständnis. Sie hatte bisher darauf verzichtet, den Namen Erler wieder gegen ihren Geburtsnamen einzutauschen.
    »Da ist nichts zu reparieren«, sagte sie. Es schien sie Mühe zu kosten, vom Salat, in dem sie stocherte, zu Matzbachs grauen Augen aufzublicken. »Ich weiß, ich bin abgeheftet und einsortiert, Nummer vier, was die legalisierten Verhältnisse angeht, und Nummer vierhundertvier insgesamt. Es hätte nur etwas ... stilvoller sein können. Was haben Sie denn mit ihm zu tun, und was genau wollen Sie von mir?«
    »Ich bin Mitbesitzer eines schwimmenden Lokals, und Erler will es unbedingt kaufen.«
    »Ah!« Sie legte die kaum benutzte Gabel beiseite; nun schaute sie Matzbach direkt an. »Ein neues Spielzeug? Bei so etwas ist er wie ein Kind. Wenn er es will, muß er es haben, egal ob legal oder illegal, teuer oder erschwinglich.«
    »Ich frage mich nur, warum er ausgerechnet
das
Lokal so dringend haben will. Es fing an mit einem Beteiligungsangebot, das er aufgestockt hat, als wir nicht annehmen wollten. Zuerst zehn, dann zwanzig, dann fünfundzwanzig, dann neunundvierzig, jetzt hundert Prozent.«
    Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und griff nach dem Weinglas, trank aber nicht. Ihre Finger spielten mit dem Stiel, ihre Augen suchten im Wein Bläschen oder Offenbarungen. »Das ist typisch«, sagte sie langsam, leise. »Typisch Rüdiger. Widerstand macht ihn rasend, wenn er etwas haben will.«
    Matzbach wackelte mit dem Kopf. »Irgendwie ... irgendwie suche ich nach einem weitergehenden Motiv. Ich kann mir nur nicht vorstellen, daß jemand, nur weil es ein schönes Spielzeug ist, zwei Millionen für so ein Objekt hinlegen will.«
    Sie kniff die Augen zu Schlitzen. »Zwei Millionen? Die hat er nicht.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Er will immer alles möglichst komplett kontrollieren. Vor der Scheidung – das ist ein halbes Jahr her – hat er sich mit einem offenbar

Weitere Kostenlose Bücher