Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
›Nicht, Clyde. Bitte.‹ Ohne mich aus den Augen zu lassen, hat Clyde ihr eine verpasst. Er hat sein ganzes Körpergewicht in den Schlag gelegt. Sein Handrücken hat eine tiefe Wunde in Emmas Wange gerissen. Sie ist zur Seite getaumelt, so dass ich sie nicht mehr sehen konnte. Aber mir hat’s gereicht. Er war kurz abgelenkt, so dass ich die Chance hatte, was zu unternehmen. Ich hab nach ihm getreten und ihn direkt unter dem Knie getroffen. Clydes Bein hat sich gekrümmt. Ich bin auf die Beine gekommen und hab mich aufs Bett geschmissen. Ich hatte nämlich ein Ziel. Kimmy hatte eine Pistole im Zimmer. Mir gefiel das nicht, aber wenn du glaubst, ich hätte viel durchgemacht, dann kennst du Kimmys Vergangenheit nicht. Sie war immer bewaffnet. Sie hatte zwei Pistolen. Einen Mini-Revolver, einen .22er, hatte sie immer im Stiefel stecken. Sogar auf der Bühne. Und unter der Matratze hatte sie noch eine Pistole.
    Olivia brach ab und lächelte ihn an.
    »Was ist?«, fragte Matt.
    »Genau wie du.«
    »Was meinst du?«
    »Du denkst, ich weiß nichts von deiner Pistole.«
    Er hatte sie vollkommen vergessen. Er sah im Hosenbund nach. Sie hatten sie ihm im Krankenhaus abgenommen. Ruhig öffnete Olivia ihre Handtasche. »Hier«, sagte sie.
    Sie reichte ihm die Pistole.
    »Ich wollte nicht, dass die Polizei sie findet und zu dir zurückverfolgen kann.«
    »Danke«, sagte er wie benebelt. Er sah die Pistole kurz an und steckte sie wieder in den Hosenbund.
    »Wozu hast du die?«, fragte sie.

    »Ich weiß nicht.«
    »Ich glaub, Kimmy wusste es auch nicht. Aber sie hatte sie. Und als Clyde zu Boden ging, bin ich aufgesprungen und habe die Pistole gesucht. Ich hatte nicht viel Zeit. Mein Tritt hatte Clyde nicht außer Gefecht gesetzt, er hatte mir nur ein paar Sekunden Zeit verschafft. Ich hab die Hand unter die Matratze der oberen Koje geschoben. Er hat geschrien: ›Verdammte Hure, ich bring dich um!‹ Daran hatte ich keinen Zweifel. Ich hatte Cassandra gesehen. Und sein Gesicht. Wenn er mich erwischte, wenn ich die Pistole nicht fand, war ich erledigt.«
    Olivia sah nun zur Seite und hatte die Hand gehoben, als wühlte sie wieder in dem Wohnwagen nach der Pistole. »Meine Hand steckte unter der Matratze. Ich hab seinen Atem schon fast am Nacken gespürt. Aber die Pistole hatte ich immer noch nicht. Clyde hat mir in die Haare gegriffen. Er fing gerade zu ziehen an, als ich das Metall an den Fingern gespürt hab. Ich hab mit aller Kraft zugegriffen, während er mich nach hinten gerissen hat. Ich hatte die Pistole. Und Clyde hat sie gesehen. Ich hab sie aber nicht richtig in der Hand gehabt, sondern den Griff nur mit Daumen und Zeigefinger umklammert. Ich hab versucht, den Zeigefinger auf den Abzug zu legen, aber Clyde hat sich auf mich gestürzt. Er wollte mein Handgelenk erwischen. Ich hab versucht, mich zu wehren. Er war zu stark, aber ich hab nicht losgelassen. Dann hat er mir den Daumennagel in die Haut gedrückt. Clyde hatte richtig lange und spitze Fingernägel. Siehst du das?«
    Olivia ballte eine Faust und bog sie nach hinten, so dass er die halbmondförmige weiße Narbe unten am Handgelenk sehen konnte. Sie war Matt schon früher aufgefallen. In einem anderen Leben hatte Olivia ihm erzählt, sie hätte sie sich bei einem Sturz vom Pferd zugezogen.
    »Das war Clyde Rangor. Er hat mir den Fingernagel so tief in die Haut gebohrt, dass es geblutet hat. Ich hab die Pistole
fallen lassen. Er hat mich an den Haaren gerissen und aufs Bett geschleudert. Dann ist er auf mich gesprungen. Er hat mich am Hals erwischt und zugedrückt. Dabei hat er geweint. Das weiß ich noch. Clyde hat mir die Luft abgedrückt und dabei geweint. Nicht weil es ihm Leid tat oder so etwas, sondern weil er Angst hatte. Während er mich erwürgte, habe ich ihn flehen gehört: ›Sag doch endlich, wo es ist. Sag doch endlich …‹«
    Olivia hob jetzt langsam die Hand und strich sich damit über die Kehle. »Ich habe mich gewehrt, um mich getreten und geschlagen, bin dann aber schnell immer schlapper geworden. Meine Schläge hatten keine Kraft mehr. Ich habe seine Daumen auf meinen Kehlkopf gespürt. Ich wusste, dass ich sterbe. Und dann hab ich den Pistolenschuss gehört.«
    Ihre Hand sank herab. Die antike Uhr im Esszimmer schlug. Bernie und Marsha hatten sie zur Hochzeit bekommen. Olivia wartete, bis sie fertig war.
    »Der Schuss war gar nicht so laut. Es klang eher so, als hätte ihm jemand mit einem Schläger auf den Kopf gehauen. Das lag wohl daran,

Weitere Kostenlose Bücher