Kein Friede den Toten
gar nicht, dass sie anders sind, bis sie in die Pubertät kommen und die Menstruation ausbleibt. Das ist gar nicht so selten. Eine Miss Teen USA vor ein paar Jahren war eine AIS-Frau. Viele glauben, dass Königin Elisabeth die Erste und Johanna von Orleans und ein Haufen Supermodels und Schauspielerinnen AIS haben, aber das ist natürlich reine Spekulation. An sich können sie ein ganz normales Leben führen. Wenn Candace Potter Prostituierte war, könnte ihr das, so pervers es auch klingen mag, sogar geholfen haben.«
»Inwiefern kann ihr das helfen?«
Loren blickt zu ihm auf. »AIS-Frauen können nicht schwanger werden.«
46
Matt fuhr davon. Sonya McGrath ging wieder ins Haus. Ihre Beziehung, wenn denn je eine bestanden hatte, war zu Ende. Es war ein eigenartiges Gefühl, aber früher oder später musste alles, was aus solchem Elend hervorgegangen war, in sich zusammenbrechen – trotz der Ehrlichkeit und Unmittelbarkeit, mit der sie ihre Emotionen ausgetauscht hatten. Die Beziehung war einfach zu fragil gewesen. Sie waren nur zwei Menschen, die etwas brauchten, was keiner dem anderen geben konnte.
Er fragte sich, ob Sonya die Polizei anrufen würde. Dann fragte er sich, ob er das wichtig fand.
Gott, was für eine blöde Idee, hierher zu kommen.
Er hatte heftige Schmerzen. Er musste sich ausruhen. Doch dafür war jetzt keine Zeit. Es musste weitergehen. Er sah auf die Benzinuhr. Der Tank war fast leer. Er hielt an einer nahegelegenen Shell-Tankstelle und gab den Rest seines Geldes für Benzin aus.
Auf der Fahrt dachte er über die Bombe nach, die Olivia gerade auf ihn abgeworfen hatte. Im Endeffekt, so eigenartig oder naiv das auch klingen mochte, fragte er sich, ob das wirklich etwas änderte. Er liebte Olivia immer noch. Er liebte ihre Art, die Stirn zu runzeln, wenn sie sich im Spiegel betrachtete, das verschmitzte Lächeln, wenn sie an etwas Komisches dachte, wie sie mit den Augen rollte, wenn er eine ungeschickte zweideutige Bemerkung machte, wie sie beim Lesen die Füße unter sich zog, ihre tiefen, fast cartoonartigen Atemzüge, wenn sie verärgert war, die Tränen in ihren Augen, wenn sie sich liebten, wenn sich sein Herzschlag beschleunigte, weil sie lachte, wenn er sie dabei ertappte, wie sie ihn ansah, weil sie dachte, er würde es nicht merken, wenn ihre Augen ganz weich wurden, weil sie eins ihrer Lieblingslieder im Radio hörte, wenn sie ohne Zögern oder Verlegenheit seine Hand ergriff, ihre weiche Haut, ihre Berührungen, wie sie an langen Morgen im Bett das Bein über ihn legte, wie sie ihre Brust beim Schlafen an seinen Rücken drückte, den Wangenkuss, wenn sie frühmorgens aus dem Bett schlüpfte und dabei darauf achtete, dass er noch richtig zugedeckt war.
Was hatte sich daran geändert?
Die Wahrheit ist nicht immer eine Befreiung. Seine Vergangenheit kann man nicht verändern. So hatte er ihr auch nicht von seinem Gefängnisaufenthalt erzählt, um ihr den »wahren Matt« zu zeigen oder »ihre Beziehung auf eine höhere Ebene zu bringen« – er hatte ihr davon erzählt, weil sie es zweifelsohne auch sonst erfahren hätte. Das hatte nichts zu bedeuten. Wäre
ihre Beziehung nicht genauso fest, wenn er ihr nichts davon erzählt hätte?
Oder war das nur eine einzige gewaltige Rechtfertigung?
Er hielt an einem Geldautomaten in der Nähe von Sonyas Haus. Er hatte keine Wahl. Er brauchte Geld. Wenn sie die Polizei anrief, wussten die sowieso, dass er hier in der Gegend war. Bis die das überprüft hatten und hier waren, war er längst weg. An der Tankstelle hatte er nicht mit der Kreditkarte bezahlt, weil sie dann vielleicht sein Kennzeichen herausbekommen hätten. Jetzt konnte er Bargeld aus dem Automaten ziehen und dann machen, dass er hier wegkam. Das schien die beste Lösung zu sein.
Der Höchstbetrag im Geldautomaten betrug 1000 Dollar. Er hob sie ab.
Dann überlegte er, wie er nach Reno kommen sollte.
Loren fuhr. Adam Yates saß auf dem Beifahrersitz.
»Erklären Sie mir das noch mal«, sagte er.
»Ich habe eine Quelle. Der Mann heißt Len Friedman. Vor gut einem Jahr haben wir zwei Frauenleichen in einer Gasse gefunden, in der häufig Huren anschaffen. Beide waren jung, schwarz, und beiden hatte man die Hände abgeschnitten, so dass wir sie nicht über die Fingerabdrücke identifizieren konnten. Eins der Mädchen hatte aber eine seltsame Tätowierung auf der Innenseite des Oberschenkels, das Logo der Universität Princeton.«
»Princeton?«
»Ja.«
Er schüttelte den
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