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Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Titel: Kein ganzes Leben lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Benke
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gab Anna kleinlaut zu.
    „Du musst es ihm sagen.“
    „Ich weiß. Aber diese Chance kommt nur einmal.“
    „Deine Chance, Christianos Respekt wiederzugewinnen.“
    „Auch das. Lucrezia, du darfst ihm nichts sagen. Bitte!“
    „Du bringst mich in eine kritische Situation, aber ich werde den Mund halten. Ich gönne es Christiano, dass er ins offene Messer läuft.“ Lucrezia lachte. Die Anspielung gefiel ihr.
    „Vielleicht bin auch ich diejenige, die ins offene Messer läuft. Ich bin völlig aus der Übung“, gab Anna zu bedenken.
    „Quatsch, du bist immer noch gut. Das verlernt man nicht. Du musst dich nur auf den neuesten Gesetzesstand bringen. Komm, wir gehen an den Computer. Ich zeige dir die wichtigsten Änderungen.“ Lucrezia war aufgestanden.
    „Das würdest du tun?“
    „Ja, auch wenn Christiano mich dafür umbringen wird.“
     
    Als Lucrezia gegangen war, machte Anna sich einen Tee. Dann setzte sie sich an den Schreibtisch. Sie stöhnte, als sie die Liste von Richtlinien und Verordnungen durchging, die Lucrezia für sie zusammengestellt hatte.
    „Das schaffe ich nie“, dachte sie laut. Sie begann dennoch zu lesen.
    Eine Stunde später zeigte ihr Posteingang eine E-Mail von Paul an. Er schlug ihr einen Stundensatz von dreihundert Euro vor. Ein Hochgefühl befiel sie. Erst jetzt begriff sie, wie ihr die Anerkennung in den letzten Jahren gefehlt hatte. Enthusiastisch arbeitete sie weiter.
    Als zwei Stunden später ihr Telefon klingelte, war sie erstaunt. Es war schon nach elf Uhr. Die Zeit war dahingeflogen. Es war Christiano.
    „Hör auf, mich anzurufen“, sagte sie ohne Begrüßung.
    „Anna, bitte, wo soll das hinführen? Ich liebe euch. Bitte, schließ mich nicht mehr aus. Ich vermisse euch.“ In seiner Stimme schwang Verzweiflung mit.
    „Ich brauche ein wenig Zeit.“
    „Wie lange?“
    „Bis es nicht mehr so wehtut, dass es mich zu zerreißen droht.“
    Sie legte auf und starrte in die Nacht. Wolken verschleierten den Mond. Im fahlen Licht der Straßenlaterne schwirrten die Mücken. Ein einsames Auto kroch die Straße hinunter.
    Sie nippte zufrieden an ihrem Tee. Das alte Selbstbewusstsein kam wieder zurück. Wie lange war sie sich nicht mehr ihrer selbst sicher gewesen? Zu lange. Und es war einzig und allein ihre Schuld. Was hatte sie davon abgehalten, weiter zu arbeiten? Etwas hätte sie schon gefunden. Die Wahrheit war, sie hatte sich wohlgefühlt in ihrer perfekten Seifenblase. Und je länger sie dort verweilte, desto mehr hatte sie das richtige Leben erschreckt.
    Doch damit war jetzt Schluss. Christiano hatte sie, ohne es zu wollen, in die wirkliche Welt zurückgeschleudert. Die Seifenblase war zerplatzt.

6. Kapitel
    Lucrezia sauste auf ihrem Motorroller den Corso di Porta Ticinese entlang und genoss den Fahrtwind. Heute Morgen musste sie das Memo für Christiano fertigstellen, heute Nachmittag war die Bellezza-Besprechung. Anstrengende Wochen lagen vor ihr. Was sie sonst mit Adrenalin erfüllt hätte, rief jetzt nur Müdigkeit hervor. Sie war nicht in Form. Vielleicht brütete sie eine Sommergrippe aus. Sie bremste, als sich ein Rückstau an der Kreuzung mit der Via Molino delle Armi bildete. Sie schlängelte sich zwischen den haltenden Autos hindurch, bis sie vorne an der Ampel stand. Neben ihr saß ein Mann Mitte vierzig im dunklen Designeranzug auf seinem Motorroller und zwinkerte ihr zu. Sie verdrehte die Augen und sah in die andere Richtung. Sie war nicht in der Stimmung. Annas Coup hatte für einen Augenblick ihre Laune verbessert. Sie war froh gewesen, helfen zu können. Doch zu Hause war Ernüchterung eingetreten. Sie hatte sich noch tiefer in diese Dreiecksgeschichte verstrickt. Bisher hatte sie Job und Privates getrennt. Nicht nur Christiano würde jetzt wütend sein, auch sie ärgerte sich über sich selber. Wollte sie wirklich Annas Komplizin sein? Wenn Anna sich schlau anstellte, würde sie dieses Spiel gewinnen. Nur gab es bei einem Spiel nicht nur Gewinner. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Wer würde verlieren? Das wütende Hupen riss sie aus ihren Gedanken. Die Ampel zeigte Grün. Sie gab Gas.
     
    Kurz nach acht schreckte Anna aus dem Schlaf. Laura hatte sie diese Nacht nicht wie gewohnt geweckt. Angst befiel sie. Sie eilte in das Kinderzimmer. Schon auf der Türschwelle befiel sie Erleichterung. Laura krähte fröhlich in ihrem Bettchen.
    „Die erste Nacht, die du durchgeschlafen hast.“ Anna nahm Laura auf den Arm und wirbelte sie stolz durch

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