Kein ganzes Leben lang (German Edition)
auf die Minibar zu und leerte eine Wasserflasche in einem Zug.
„Ich muss erst einmal duschen.“
„Wie bitte, Helene, was soll das? Und wer ist das?“ Christiano deutete auf den Mann mittleren Alters, der etwas verlegen im Zimmer stand.
„Das ist Antonio. Ich bin hier, um nach dem Rechten zu sehen. Aber darüber sprechen wir später. Ich geh jetzt erst einmal unter die Dusche.“
Ohne sich um ihn zu scheren, zog sie sich den Kaftan über den Kopf und ließ ihn auf den Boden fallen.
Christiano hielt sich schnell die Hände vor das Gesicht.
„Wer ist Antonio?“
„Mein Verlobter. Wir haben uns auf Sizilien kennengelernt. Ist das nicht toll?“
Christiano ließ die Hände sinken und starrte Helene, die dort nur in einem Unterkleid stand, entgeistert an.
Noch bevor er etwas erwidern konnte, war sie im Bad verschwunden.
Er sah Antonio an. Der zuckte nur mit den Schultern.
„Wie alt sind Sie eigentlich?“ war alles, was Christiano einfiel.
„Dreiundvierzig“, erwiderte Antonio.
„Antonio, Liebling, kommst du? Ich bin so einsam unter der Dusche“, zwitscherte Helene aus dem Bad.
Antonio zuckte verlegen mit den Schultern und ging ins Bad.
Christiano blieb mit offenem Mund im Zimmer zurück.
Die Dusche rauschte.
„Liebling, du bist aber ein ganz Wilder“, drang es aus dem Bad an Christianos Ohr. Er erwachte aus der Erstarrung.
„Ich muss hier raus“, murmelte er. Hastig suchte er sein Telefon und Blackberry zusammen und verließ das Zimmer.
Lucrezia wälzte sich von einer Seite zur anderen. Sie fand keinen Schlaf. Vor ein paar Minuten hatte Anna ihr eine SMS geschrieben. Sie hatte gekniffen. Alles andere hätte sie auch überrascht. Christianos Anruf hatte sie absichtlich nicht beantwortet. Sie wusste nicht mehr, wie sie zu ihm stand. Was ihr zuvor leicht gefallen war, war jetzt unklar. Es wurde ihr alles zu eng. Morgen würde sie mit ihm reden. Entnervt stand sie auf. Die Türschelle fuhr ihr durch Mark und Bein. Sie sah auf die Uhr. Das konnten nur Betrunkene sein. Sie öffnete das Fenster, das zur Straße ging, und rief: „Idioten, verschwindet und schlaft euren Rausch aus. Sonst ruf ich die Polizei.“
„Lucrezia“, vernahm sie eine bekannte Stimme. Sie runzelte die Stirn und beugte sich weit aus dem Fenster. Sie sah Christiano im Schein der Straßenlaterne. Er reckte den Hals und winkte ihr zu.
„Was willst du? Ich schlafe.“
„Bitte mach auf. Dann erkläre ich dir alles.“
„Das hat bis morgen Zeit.“ Sie schloss das Fenster. Sie war plötzlich wütend. Ihr Herz klopfte.
Wieder schellte es. Was bildete er sich eigentlich ein? War sie sein emotionaler Mülleimer? Wutentbrannt eilte sie ins Bad und füllte einen Eimer mit Wasser. Dann öffnete sie wieder das Fenster.
„Christiano, Liebling, bist du noch da?“
Sofort trat er aus dem Hauseingang hervor und sah erwartungsvoll zu ihr herauf.
„Lucrezia, bitte, mach auf.“
Statt einer Antwort entleerte sie den Eimer über ihm.
„Lucrezia, zum Teufel ...“ Der Rest ging in einem Sprudeln unter. Sie lachte.
Christiano rieb sich das Wasser aus den Augen.
„Lucrezia, verdammt noch mal. Das wird Folgen haben.“
„Ach ja, und was für welche?“, rief sie höhnisch.
Das Fenster der Nachbarwohnung öffnete sich.
„Jetzt reicht es aber, ihr Strolche!“ Der weißhaarige Kopf ihres Nachbarn erschien, und bevor sie sich versah, schüttete er einen weiteren Eimer Wasser über Christiano aus.
Christiano prustete und hustete.
„Du bist gefeuert“, brachte er schließlich hervor.
„Ne, Sie Lümmel, Sie sind gefeuert. Hauen Sie ab oder ich ruf die Polizei“, brüllte der Alte. Lucrezia klatschte.
Der Alte wandte sich ihr zu und drohte mit dem Zeigefinger: „Und mit Ihnen habe ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen. Sie drehen die Musik immer viel zu laut auf.“
Schnell zog Lucrezia sich zurück und schloss das Fenster. Das Allerletzte, wozu sie jetzt Lust hatte, waren Nachbarstreitigkeiten.
Sie goss sich einen Grappa ein. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Ihr Blackberry leuchtete rot. Sie las die E-Mail, die Christiano geschickt hatte, und verstand.
Er wollte sie ins Büro schleppen, dachte sie bitter. Dennoch seltsam, dafür hier aufzutauchen. Es klopfte an der Tür. Sie zog sich den Morgenmantel an und öffnete. Christiano stand mit hängenden Schultern und bittendem Blick in einer Wasserlache.
„Bitte, lass mich herein.“
Er tat ihr leid. Ihr wurde warm ums Herz.
Sie deutete mit dem Kopf in
Weitere Kostenlose Bücher