Kein ganzes Leben lang (German Edition)
ich sitze alleine mit der Anmeldung da.“
„Was? Einfach so? Das kann nicht sein.“
„Sie hat einen neuen Job gefunden. Ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnte“, sagte Christiano schnell.
„Aber so schnell? Hat sie denn keine Kündigungsfrist? Sie hat mir gar nichts gesagt.“
„Ich glaube, dass sich alles ganz kurzfristig ergeben hat.“
„Und dir kann kein anderer helfen?“
„Nein, aber ich habe schon schlimmere Situationen gemeistert. Dennoch wäre ich dir dankbar, wenn du mich von Helene befreien würdest.“
„Wieso, wo ist Helene denn?“, fragte Anna verwirrt.
„Na, mit ihrem Toyboy in meinem Hotelzimmer.“
„Was?“
Christiano seufzte genervt.
„Ich habe es dir doch schon gesagt.“
„Ich dachte, das war ein Scherz.“
„Mir ist heute wirklich nicht zum Scherzen zumute.“
„Aber mit wem hat sie sich verlobt?“
„Antonio, Sizilianer, dreiundvierzig“, ratterte Christiano herunter.
„Was?“
„Also, ich hab wirklich was anderes zu tun, als alle Sätze zu wiederholen.“
Christiano wollte schon verärgert auflegen, als Anna sagte: „Ich hole jetzt Helene und Antonio, Sizilianer, dreiundvierzig, ab, komme dann zu dir ins Büro, und wir stellen diese verfluchte Anmeldung fertig.“
„Wirklich?“
„Bis gleich.“
„Ich liebe dich.“
„Mach dir keine falschen Hoffnungen. Das ist rein geschäftlich.“
Nachdenklich saß Anna am Steuer. Warum hatte Lucrezia nur gekündigt? Sie hatte mehrmals versucht sie zu erreichen, aber sie ging nicht ans Telefon. Sie sah Helene schon von Weitem. Ihr fuchsiafarbenes Seidenkleid wehte im Wind. Das passende Stirnband verlieh ihr etwas Dramatisches. Sie hatte sich bei einem wesentlich jüngeren und sehr gut aussehenden Mann eingehakt. Als sie Annas Wagen entdeckte, winkte sie wild.
Anna hielt an und ließ das Fenster hinunter.
„Steigt ein.“
Der Mann, der Antonio sein musste, verstaute das Gepäck im Kofferraum. Helene ließ sich auf die Hinterbank fallen.
„Bin ich euer Chauffeur?“, Anna drehte sich um.
„Nein, aber ich bin nicht gerne von ihm getrennt. Du weißt schon, die Schmetterlinge.“
Helene zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Anna hob schnell die Hand.
„Bitte keine Details.“
Antonio stieg ein und reichte ihr die Hand. Höflich stellte er sich vor.
„Es stimmt also“, sagte sie zu Helene auf Deutsch.
„Ja, schau mal.“ Helene hielt ihr ihren Ringfinger unter die Nase, an dem ein kleiner Diamantring glitzerte.
„Sag mal, bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen? Du kannst doch noch nicht einmal Italienisch.“
„Gelaber stört nur die Liebe.“
„Wer ist er? Wo hast du ihn kennengelernt?“
„In einer Hotelbar in Taormina. Er arbeitete dort als Kellner.“ Stolz schwang in ihrer Stimme mit.
„Das ist so stereotyp. Wohlhabende ältere Dame angelt sich knackigen Kellner.“
„Du bist ja bloß neidisch.“
„Wieso bist du zu Christiano und nicht zu mir?“
„Ich wollte ihm mal auf den Zahn fühlen. Aber er hat sich verdünnisiert.“
„Kann ich ihm nicht verdenken.“
„Gibst du jetzt nach?“
„Vielleicht.“
„Schwächling.“
„Es sind eben nicht alle Revolverhelden wie du.“
„Du meinst wohl eher Giftspritzen.“ Sie kicherte.
Anna verdrehte die Augen. Das war alles zu verrückt.
Vor ihrem Haus hielt Anna an. Helene und Antonio stiegen aus.
„Helene, die Flitterwochen sind suspendiert. Heute Abend passt du auf Laura auf“, sagte sie durch das offene Fenster.
„Jetzt spiel dich mal nicht so auf.“ Helene beugte sich durch das Fenster und drückte Anna einen Kuss auf die Stirn.
Dann wandte sie sich Antonio zu, der ratlos zwischen dem Gepäck auf dem Bürgersteig stand.
„Na, mal los, keine Müdigkeit vorschützen. Die Koffer müssen ins Haus.“ Sie gab ihm einen Klaps auf den Po.
„Das träume ich“, murmelte Anna kopfschüttelnd. Für einen kurzen Augenblick tauchte vor ihrem Auge die graue Maus Helene auf, die Heiner eine Tasse Tee hinterhertrug. Anna gab Gas.
„Ein Bund Nelken, bitte.“ Lucrezia stand missmutig vor dem Straßenstand eines Blumenverkäufers.
Der Mann sah sie an.
„Für eine Beerdigung“, erklärte sie und fügte in Gedanken hinzu, die Beerdigung meiner ersten Liebe.
Sie nahm den Strauß entgegen und machte sich auf den Heimweg. Die Genugtuung über Christianos verdutztes Gesicht war der Leere gewichen. Mitten in der Nacht war sie aufgewacht, weil ihr kalt war. Christiano lag in die Decke eingerollt am anderen
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