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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Das ist nicht immer so gewesen, ich habe eine knapp 20 Jahre alte Studie der Münchner Rechtsmedizin im Internet gefunden, da landete die Kugel noch bei knapp der Hälfte aller untersuchten Selbstmorde in der rechten Schläfe. Der moderne Selbstmörder hingegen schießt sich, wenn es nach den Fällen geht, die ich gesehen habe, mehrheitlich in den Mund. Das Ergebnis ist immer dasselbe, aber man kann schon mehr oder weniger umsichtig vorgehen. Und bei Laien relativ beliebt ist die Kombination mit Wasser.
    Ich habe keine Ahnung, wer sich die Methode ausgedacht hat, sie ist auch kein großes Geheimnis mehr, seit es im Internet die absonderlichsten Seiten zu den absonderlichsten Themen gibt – wie ich überhaupt glaube, dass dank der zweifelhaften Hilfe des Internets Selbstmorde heute sachkundiger ausgeführt werden. Die Methode besteht darin, dass man den Mund voll Wasser nimmt und sich dann in den Mund schießt. Das scheint zunächst nicht besonders viel auszumachen, die Folge ist allerdings, dass man hinterher keinen Kopf mehr auf den Schultern hat.
    Vorausgesetzt, man hat den Mund getroffen.
    Der Trick dahinter ist schlichte Physik. In einem leeren Mund verdrängt die Kugel Luft und sonst nichts. In einem Mund voll Wasser verdrängt sie Wasser. Das änderte nicht viel, würde sich die Kugel so langsam durch den Mund bewegen wie ein Dauerlutscher, aber wenn sie das mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 400 bis 500 Metern pro Sekunde tut, was schon sehr deutlich jenseits der Schallgeschwindigkeit ist, dann verdrängt sie das Wasser im Mund mit einer derartigen Energie, dass das Wasser nicht ein bisschen vorne zwischen den Lippen rausspritzt, sondern gleichmäßig zu allen Seiten, als bestünde der Kopf aus nassem Zeitungspapier. Und ob da nun die Backen im Weg sind oder die Zähne oder der Kieferknochen oder der Gaumen und die Schädeldecke, das ist dem Wasser alles grad wurscht. Die Selbstmörder, die mir in diesem Jahr bisher untergekommen sind, haben diese Methode nicht gewählt. Das kann damit zusammenhängen, dass es alles Jäger oder Sportschützen waren.
    Ich gebe zu, man unterhält sich mit den Hinterbliebenen über die Hintergründe einer Tat, aber nicht über die Technik, insofern ist es eine Vermutung: Ich glaube aber, dass die Waffenfachleute die Wasser-im-Mund-Methode seltener anwenden, weil sie sich zutrauen, auch mit herkömmlichen Mitteln die Stelle zu treffen, die für sie am wünschenswertesten ist. Vielleicht können sie sich aber auch eher vorstellen, wie bei der Wassermethode die Umgebung hinterher aussieht. Der Rentner vom Frühjahr hat es sehr genau gewusst.
    Er war etwa 80 Jahre alt und einer von denen, die plötzlich von einer tödlichen Erkrankung erfahren hatten. Er war nach einem chronischen Husten beim Arzt gewesen, und der hatte bei ihm eine Krebsform festgestellt, entweder Lungenkrebs oder aber eine Unterart, die Metastasen in der Lunge bildet. Das wollte er sich und seiner Familie nicht zumuten. Also hat er an einem Freitagmorgen gewartet, bis seine Frau zum Einkaufen gegangen war, gewartet, bis seine Tochter, die auch im Haus lebte, im Garten war. Dann hat er ein dickes Handtuch genommen und ist in den ersten Stock gegangen, zu seinem Schreibtisch. Er hat seinen Abschiedsbrief auf den Tisch gelegt, dann hat er sich das Handtuch sorgsam um den Kopf gewickelt, seine alte Pistole in die Hand genommen und sich damit in den Mund geschossen. Und so sah das Zimmer dann auch aus: Es gab einige Blutspritzer am Heizkörper und einen kleineren Fleck auf dem Teppich, aber im Grunde war sonst kaum etwas zu reinigen. Und genau so hatte er sich das auch gedacht. Mit dem Mund voll Wasser hingegen hätte er sich den Aufwand mit dem Handtuch schenken können.
    Ganz ähnlich ist es bei einem 82-jährigen früheren Jäger gewesen. Er lebte in Allach, er war alleinstehend, seine Frau war vor ihm gestorben, er hatte nur noch einen Sohn, und er fand eines Tages, er hätte jetzt lange genug gelebt. Der Mann ist allerdings noch gründlicher vorgegangen: Er hat nicht nur seinen Kopf mit einem Handtuch umwickelt, er hat auch vorher das ganze Bett gründlich mit Handtüchern abgedeckt, und so, wie er das gemacht hat, kann man fast davon ausgehen, dass er dabei auch noch darauf geachtet hat, dass es nicht die guten Handtücher waren. Er legte sich ins Bett und drückte ab. Und wenn das KIT dann vor Ort eintrifft und den Hinterbliebenen rät, dass sie sich vielleicht beim Reinigen helfen lassen sollten, dann ist

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