Kein Job fuer schwache Nerven
pakistanischen Hilfsarbeiter hängen, am Ende seiner nicht ganz regulären 14-Stunden-Schicht. Darüber muss man sich klar sein, wenn man am Schnitzel spart.
Aber andererseits: Es muss offenbar wirklich viel passieren, bis man sich tatsächlich ein Norovirus einfängt.
8 . Flut
Eine Dame rief uns an: Ob wir ihr helfen könnten – sie müsse eine Wohnung übergeben, in der ihr Schwiegervater gestorben sei, auf der Couch, beim Fernsehen offenbar, jedenfalls sei der Fernseher noch gelaufen, und der Schwiegervater hatte davor gesessen, vier Wochen lang, es könnten auch sechs gewesen sein. Die Entrümpelungsfirma sei auch schon da gewesen, die Wohnung sei leer, es sei nichts mehr drin – bis auf den Geruch. Der sei so unerträglich wie am Tag der Wohnungsöffnung, und ob wir da nicht vielleicht was machen könnten …?
Ich sagte, wir könnten uns schon drum kümmern, man müsste sich die Wohnung eben mal ansehen. Was denn die Firma bereits gemacht? » Aufgeräumt«, sagte sie, » ausgeräumt und aufgeräumt, und zum Schluss haben sie so ein Gerät ins Zimmer gestellt.«
» Aha«, sagte ich, und fühlte mich wieder mal bestätigt. Ich meine, ich hab’s inzwischen mit » diesen Geräten« aufgegeben. Ich weiß schon, um welche Apparate es sich da handelt, es sind diese elektrischen Ozonreiniger, und ich wäre wirklich froh, wenn die Dinger funktionieren würden. Ehrlich wahr, wir schrubben schließlich im Leichengeruchsfall jedes Mal die Wände mit Chlorbleichlauge ab, ich hab’s schon im letzten Buch geschildert, das ist eine höllische Schweinearbeit. Wer mal mit einem Schrubber an einer senkrechten Wand in Schulterhöhe gebürstet hat, in Kopfhöhe, an der Decke, der ist hinterher fertig wie sonst was. Und wenn es möglich wäre, diese Arbeit einem Apparat aufzudrücken, den man einfach in ein Zimmer rollt und an die Steckdose anschließt, also ich wäre der Erste, der das täte. Für drei Tage Apparat kann man sicher auch nicht weniger berechnen als für drei Stunden schrubben. Aber meine Erfahrung ist: Das klappt nicht. Und das ist für mich auch ziemlich logisch. Denn hier geht’s ja wieder um den Sauerstoff.
Sauerstoff ist eigentlich eine hervorragende Sache, um Schmutz zu bekämpfen oder auch Gerüche, da haben die Ozonreinigerfans schon recht. Gerüche, Geruchsmoleküle sind wie eine Fußballmannschaft, elf Jungs, die zusammenhalten wollen. Und Sauerstoff ist wie eine Supertraumfrau, die vorbeigeht. Plötzlich sehen die ganzen Jungs nur noch die Frau, und ssst – schnappt sie sich einen von den elfen und nimmt ihn mit. Zurück bleiben zehn Jungs, und zehn Jungs sind keine Fußballmannschaft mehr und kein Geruchsmolekül.
Alle Sauerstoffreiniger arbeiten so, der einzige Unterschied ist die Art von Sauerstoff, die freigesetzt wird. Wer Ozon einsetzt, sagen die Ozonreinigerbenutzer, verwendet dabei die schärfste aller Traumfrauen, die absolute Oberübergranate: Sauerstoff kommt normalerweise als O 2 vor, als Pärchen, aber Ozon, O 3 , besteht sogar aus drei Sauerstoffatomen. Die werden extra mit Strom erzeugt, deshalb braucht das Gerät ja auch den Stecker in der Steckdose, damit es dieses unheimlich instabile O 3 -Ozonmolekül erzeugen kann. Und bei dieser Drei-Atom-Sauerstoffüberfrau, so behaupten die Ozonreiniger-ins-Zimmer-Schieber, da rasten die Fußballmannschaften komplett aus. Vielleicht stimmt das sogar, aber trotzdem passt das Ergebnis häufig nicht. Ich glaube, ich weiß auch, wo der Denkfehler liegt.
Sauerstoff ist irrsinnig reaktionsfreudig. Das heißt, unsere Superfrau, um im Bild zu bleiben, wirkt nicht nur auf Fußballmannschaften attraktiv. Sie wirkt auch bei Baseballmannschaften, bei Basketballmannschaften, bei U-Boot-Besatzungen, schlichtweg bei fast allem, was ihr in die Quere kommt. Und wenn sich die Traumfrau vor ihrem Besuch auf dem Fußballplatz schon einen Basketballspieler geangelt hat, will sie niemanden sonst mehr. Soll heißen: Sauerstoff reagiert eben nicht nur mit Gerüchen, sondern auch mit Bakterien, mit Materialien, mit allem. Und Sauerstoff ist nicht wählerisch: Wer zuerst kommt, auf dem wird zuerst reagiert, und damit ist die Reinigungswirkung erledigt.
Wenn man nun so ein Gerät ins Zimmer schiebt, erzeugt es sicher Ozon, und es setzt bestimmt reaktionsfreudigen Sauerstoff frei, vielleicht sogar besonders reaktionsfreudigen Sauerstoff. Aber im Zimmer stinkt ja nicht die Luft in der Mitte. Im Zimmer stinkt die Wand, da stinkt der Boden, da stinkt vielleicht auch
Weitere Kostenlose Bücher