Kein Job fuer schwache Nerven
alten Dame gewachsen war, da hatte ihr Mann schon auch seinen Teil dazu beigetragen. Seine Spezialität waren Lebensmittel und Elektrogeräte.
Die Lebensmittel waren das, was sich in der Küche türmte, und alles, was nach Essbarem aussah, sah für ihn offenbar auch aus, als wäre es erst gestern gekauft worden.
» Das ist doch noch gut«, jammerte er, » das kann man doch noch essen!«
Dasselbe Prinzip galt für sämtliche Geräte im Haus. Die vollgeschlichtete Waschmaschine. Das Telefon. Den Computer. Den Herd.
» Auf dem haben wir doch erst gestern gekocht!«
Ich guckte auf den Herd. Ich guckte auf die säuberlich zugebauten Kochplatten. Ich hatte keine Ahnung, was die beiden in den letzten Jahren gegessen hatten, aber von diesem Herd stammte es jedenfalls nicht.
» Ich bitte Sie«, sagte ich, » hier kann Ihre Frau unmöglich was gekocht haben. Nicht in diesem Jahrzehnt.«
» Doch«, klagte er, » in der Backröhre!«
Ich öffnete die Backröhre. Sie war bis auf den letzten Millimeter perfekt mit Müllschachteln ausgefüllt. Es war, als blickte man direkt im Ofen auf eine knallbunte Ziegelwand.
Um voranzukommen, haben wir einen Trick benutzt, den mir ein Feuerwehrpsychologe mal verraten hat. Denn einerseits muss man ja etwas erreichen, aber andererseits muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass man hier das Leben zweier Menschen sortiert und große Teile davon wegwirft. Also gaben wir ihm drei Kartons und baten ihn, sie mit den Dingen zu füllen, die wirklich wichtig waren.
Dann trugen wir den Fernseher und seinen PC auf den Balkon und machten uns ans Werk. Und im Nachhinein war das wirklich heftig. Wir haben die komplette Wohnung mehr oder weniger weggeschmissen. Wir mussten noch weitere Container ordern, aber hinterher war die Wohnung wirklich leer. Der Fernseher war noch da, der PC und der Inhalt der drei Kartons. In denen befanden sich das Telefon, zwei Ordner mit den wichtigsten Unterlagen, die wenige saubere Wäsche für ihn und seine Frau. Und das Anschlussventil der Waschmaschine. Letzteres lag daran, dass wir die Waschmaschine sonst nicht hätten wegwerfen dürfen, weil sie für ihn ja auch praktisch neu war. Als er merkte, dass er uns nicht davon abbringen konnte, begann er eine Art Rückzugsgefecht zu führen und bestand darauf, statt der Waschmaschine wenigstens das Anschlussventil zu behalten, geschätzter Wert etwa 75 Cent. Ich stimmte zu: kleines Ventil behalten, große Waschmaschine wegschmeißen – nach diesem Prinzip konnte man immerhin weitermachen. Bei diesen Verhandlungen ist dann mein Blick auf seine Füße gefallen. Er trug billige Schläppchen, ohne Socken, mit nackten Zehen. Und das in einer Wohnung, in der sich sogar seine Frau nur mit Plastiktüten an den Füßen bewegt hatte. Ich konnte es kaum glauben.
Aber: Er wirkte wirklich erleichtert. Einerseits sicher geschockt, und auch betrübt, weil so viel weggeschmissen wurde, aber tatsächlich auch erleichtert, weil die Wohnung endlich wieder so aussah wie eine Wohnung.
Anschließend haben Hardy und ich uns zusammengerissen und die Fäkalschichten entfernt. Augen zu und durch. Danach kamen die Käfer an die Reihe, die Plage hatte man zunächst gar nicht so gesehen, die hatten ja in den Lego-Mauern genug Platz, um ungestört zu krabbeln. Und ganz zum Schluss führten wir noch eine geruchsneutralisierende Behandlung durch. Immer wieder erstaunlich, welche Gerüche man recht gut beseitigen kann, sobald sich mal der Tod nicht einmischt.
Wir meldeten uns beim Sohn. Der Vater zog, nachdem ja überhaupt keine Möbel mehr vorhanden waren, erst einmal bei ihm ein. Wir hinterließen die Adresse eines Handwerkers, der sich um einen neuen Boden kümmern würde. Der Vater stimmte zu. Man muss es noch mal deutlich sagen: Geld war kein Problem, die beiden waren nicht arm, sie hatten eine wirklich vollkommen passable Rente. Und jetzt sind die beiden wieder zu Hause. Vater, Mutter, in einer zumindest fürs Erste sauberen Wohnung. Der Sohn hat sich inzwischen mit dem Sozialamt in Verbindung gesetzt, die beiden Herrschaften werden ein- bis zweimal die Woche besucht, damit die » neue « Wohnung nicht binnen Kürze wieder aussieht wie die alte. Und zusammen mit dem Sohn in der Nähe könnte es tatsächlich sein, dass sich hier auf Dauer was geändert hat. Was für Messie-Fälle nämlich auch nicht unbedingt typisch ist.
20 . Frauen
Es gab noch einen weiteren Grund, weshalb ich Petra gerne in meinem erweiterten Team haben wollte: Ich
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