Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
eines Käferproblems, ich nahm mal an: Speckkäfer. Die Wohnung sei etwa 60, 70 Quadratmeter groß, sagte der Sohn. Ich kalkulierte mit einem Container, bestellte ihn und traf mich dann zum Putztag mit Hardy und dem Sohn der Messies vor der Wohnung. Der Sohn wohnte nicht nur ein Stockwerk schräg versetzt im selben Haus, er hatte auch einen Schlüssel, und das war gut so. Denn sonst wären wir in die Wohnung überhaupt nicht hineingekommen.
    Innen bekam die Mutter nämlich schnell mit, dass der Sohn nicht allein gekommen war, sondern jemanden mitgebracht hatte. Sie war nicht groß, vielleicht 1,60 Meter, dünn, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sich mir gegenüber schon mal jemand so aggressiv verhalten hätte. Wir standen im Flur, hintereinander, denn zum Nebeneinanderstehen war kein Platz mehr. Von der normalen Flurbreite war nichts mehr übrig, gerade noch ein hüft- oder schulterbreiter Gang war geblieben, der Rest der Fläche war – ja, was war damit? » Zugemüllt « konnte man es nicht nennen, es wirkte wie ein homogener dunkler Block in der ziemlich verdunkelten Wohnung, fast wie hochgemauert, aber näher konnte ich mich damit nicht befassen. Erstens umwaberte mich schlagartig ein bestialischer Gestank, wie man ihn manchmal mitkriegt, wenn man im August eine Restmülltonne aufmacht, obwohl, das reichte hier nicht, das hier roch so, als ob man in die Mülltonne gestiegen wäre und dann den Deckel wieder zugemacht hätte. Und zweitens schlurfte uns die Mutter entgegen, wutentbrannt, in einer roten Jogginghose; ich sah über die Schulter ihres Sohnes nur eine seltsame Jacke und den grauen, fettigen Haarschopf. Ich habe noch nie jemanden so schrill und energisch zetern hören, es war regelrecht einschüchternd. Entsprechend verstört ahnte ich den Vater im Hintergrund mehr, als ich ihn sah.
    Der Sohn versuchte, begütigend auf seine Mutter einzuwirken, ohne jede Chance, wir wurden beschimpft, angeschrien, und dann bat ich ihn vor die Tür.
    » So können wir unmöglich arbeiten«, sagte ich ihm.
    » Ich weiß«, sagte er, » aber was soll ich machen?«
    » Da kann man schon was machen«, sagte ich, » wenn Sie wollen.« Und dann haben wir die alte Dame mehr oder weniger ins Bezirkskrankenhaus in Haar eingewiesen.
    Das klingt jetzt wahrscheinlich hart, zu Recht. Spätestens seit Einer flog über das Kuckucksnest ist es der Albtraum vieler Menschen, gegen den eigenen Willen in eine Art Einrichtung für Geisteskranke zu kommen. Deshalb geht so was auch nicht so einfach, Gott sei Dank. Wenn nichts Gravierendes vorliegt, geht das sogar überhaupt nicht, jedenfalls nicht in unserem Land. Es gibt schließlich auch so was wie die Unverletzlichkeit der Wohnung. Aber was soll man tun, wenn man etwas Wichtiges durchführen muss und jemand stellt sich quer, also wirklich: ohne jede Vernunft?
    Immerhin war es dem Sohn vorher gelungen, den Vater zu einer gewissen Einsicht zu bringen, das war hilfreich, weil uns damit schon mal jemand auch rechtmäßig in die Wohnung gelassen hat. Und dann haben wir die Polizei gerufen. Die Beamten haben sich die Lage angesehen, die verstopfte Toilette, die stinkende Wohnung, und sie kamen zu dem Schluss, zu dem jeder normale Mensch auch gekommen wäre: eine Art » Gefahr im Verzug«, also in diesem Fall Gesundheitsgefahr. Dann haben sie sich die alte Dame angesehen, mit ihrer Jogginghose, in ihrem verwahrlosten Zustand, ihren – wie ich jetzt erst sehen konnte – Plastiktüten, die sie um die Füße gewickelt hatte. Und dann haben sie ihr klargemacht, dass ihr Mann sehr gut auf die Wohnung aufpassen könne und dass sie besser freiwillig mitkäme. Vorübergehend, so lange, bis die Wohnung wieder hergerichtet war. Und dann haben die Polizisten sie nach Haar ins Bezirkskrankenhaus gebracht.
    Immer, wenn ich den Sohn angesehen habe, habe ich gemerkt, wie bitter so was ist. Es war ihm unangenehm, es war ihm peinlich, es war widerlich, weil es wirklich bestialisch stank, und das galt selbstverständlich nicht nur für die Wohnung, sondern auch für die Mutter selbst, aber letztlich ist es natürlich immer noch seine Mutter gewesen, die jetzt erst mal aus ihrem Zuhause raus musste, das hat ihm wehgetan, das konnte man sehen. Aber was will man sonst machen? Und ich kann an dieser Stelle auch versichern: Die alte Dame ist inzwischen wieder zu Hause, ich habe deshalb extra noch mal bei ihrem Sohn angerufen.
    Aber anders als mithilfe der vorübergehenden Einweisung hätten wir diese Wohnung auch

Weitere Kostenlose Bücher