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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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abstützen konnte. Aus irgendeinem Grund stürzte er dennoch an der Leiter vorbei außen senkrecht nach unten. Er schrammte an nichts, was seinen Fall hätte bremsen können, prallte gegen nichts, woran er sich hätte abfangen können, es war unglaublich: Ich behaupte mal, wenn er mit Absicht genauso hätte springen wollen, er hätte es niemals geschafft, so wenig Platz war da für einen freien Fall. Aber so was klappt eben immer ausgerechnet dann, wenn es nicht klappen soll.
    Unten schlug er auf dem Verschluss des Absaugrohrs auf, eines Rohrs mit 50 oder 60 Zentimetern Durchmesser, durch das die kleinen Kügelchen zur weiteren Verarbeitung wieder aus dem Silo abtransportiert wurden. Der Mann verbeulte den Verschluss und riss das komplette Rohr ab, bevor er den Bruchteil einer Sekunde später mit dem Kopf auf dem Betonboden daneben aufprallte. Er muss sofort tot gewesen sein. Um ihn herum breitete sich sofort eine riesige Blutlache aus. Und über all das Blut schoss aus dem Silo eine Flut strahlend weißer Polystyrolkügelchen. Der Hallenboden war kniehoch mit weißen weichen Kügelchen bedeckt, ein Kind hätte vermutlich als Erstes reinspringen mögen. Aber nicht aus dieser Höhe!
    Der Notarzt hatte das idyllische Bild dann etwas beeinträchtigt. Er hatte den Toten unter den Kugelbergen hervorgeholt und zur Seite geschleift, das sah man an den Fußspuren. Dann hatte er aufgegeben, und die Leiche war abtransportiert worden. Und das Kinderparadies sah infolge der Wühlarbeiten aus wie eine zuckrige Winterlandschaft, in der jemand den Weihnachtsmann mit einem Bleirohr erschlagen hatte. Bizarr, unwirklich, so aberwitzig, dass mir zuerst durch den Kopf schoss: der romantischste Leichenfundort, den wir jemals hatten.
    Jemand hatte dann zum Abdecken einige große Polystyrolplatten über die blutigen Teile der Zuckerberge gelegt, wie Surfbretter über weiße Wellen. Aber viel besser machte das die makabre Idylle nicht.
    Die Luft war kaum erträglich, wegen der unglaublichen Trockenheit. Jeder Atemzug tat weh, es war ein ständiges Kratzen im Hals, weshalb wir ziemlich schnell zu unseren Atemschutzgeräten griffen, sonst hätten wir uns womöglich wundgeräuspert. Wir desinfizierten den Bereich großflächig, dann machten wir uns ans Schaufeln. Eigentlich sah das meiste hier unproblematisch aus, es war wie Schneeschaufeln. Aber wir hatten die Kombination Kügelchen-Blut-Beton unterschätzt.
    Die sauberen Kugelberge konnte man tatsächlich mit Schaufeln abtragen, in Tüten verpacken und wunderbar leicht vor die Türe bringen. Mit dem Blut war das unmöglich. Der knochentrockene Boden und die Kügelchen saugten Blut auf wie Schwämme. Und wenn Blut zwischen Kügelchen und Boden geriet, dann saugten sich Kugeln und Beton leidenschaftlich derart aneinander fest, dass die Kugeln am Boden klebten wie angewachsen. Und anfangs dachte ich noch: » Na ja, dass lässt sich doch mit irgendeinem Spachtel abschaben, was soll da schon groß dran sein, das ist doch nur Styropor. « Aber in Verbindung mit dem Blut war das kein Styropor mehr. Auf dem Boden war ein rotweißer Superschorf, der sich ums Verrecken nicht lösen wollte. Es war eine Drecksarbeit, wir haben geflucht wie die Teufel, während wir den Superschorf vom Boden zu lösen versuchten. Aber es brachte nichts. Eher wären uns die Spachtel abgebrochen. Die großen Brocken gingen weg, aber die Kugelansätze blieben kleben.
    Wir haben ratlos auf die riesige betongewordene Blutlache geguckt. Und dann probierten wir es mit Wasserstoffperoxid. Das war keine gute Idee. Sofort entstand blutiger Schaum, der zwar das Blut tatsächlich entfernte, aber nur an einem winzigen Fleck. Fünf Liter Wasserstoffperoxid für eine Fläche von der Größe einer Kinderfaust. Wir hätten das Zeug kanisterweise gebraucht, um mit dem enormen Fleck fertigzuwerden. Und wenn man ehrlich war, hat es nur die Farbwirkung ein wenig reduziert, die Spuren hat man im Beton nach wie vor gesehen. Und dann war ich ein wenig sehr leichtsinnig: Ich dachte mir, dass am Betonboden ja nichts kaputtgehen könnte und griff zur Salzsäure.
    Der Effekt war, dass das Blut eine schwarze dicke Kruste bildete. Jetzt sah der Boden aus wie ein Grillrost, den jemand 20 Jahre benutzt hatte, ohne ihn ein einziges Mal zu säubern. Das war auch nicht unlogisch, denn mir ist ein wenig Salzsäure auf den Stiefel getropft, auf dem noch Spuren von Wasserstoffperoxid waren. Daraufhin wurde es in meinem Schuh schlagartig enorm heiß. Ein

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