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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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immer dann ein, wenn der Tod eine weitere Komponente hat als den Verlust. Das sind Fälle, in denen sich der Tote die Pulsadern geöffnet hat und die Wohnung aussieht, als wäre ein Fass Bordeaux explodiert. In denen der betreffende Mensch ermordet würde oder bei einem Unfall zerquetscht. In diesen Fällen hat der Tod eine gefährliche, erschreckende, katastrophale, schlicht außergewöhnliche Färbung, er ist eine Art Alarmsignal im weitesten Sinne. Und dann greift das, was mir Dr. Müller-Cyran mit dem Säbelzahntiger-Gleichnis erklärt hat.
    Der Säbelzahntiger lebte mit unseren Vorfahren zusammen vor 2 0 000 Jahren. Und das ist das Gefahrenmodell, für das wir eigentlich entwickelt sind: Wenn uns ein Säbelzahntiger über den Weg läuft, sagt Dr. Müller-Cyran, dann sind wir darauf programmiert, wegzurennen oder auf einen Baum zu klettern. Oder nach einer Waffe zu greifen und zu kämpfen. Und wenn wir so reagieren, sind unsere Gefühle hinterher wieder mehr oder weniger im Lot (oder sie befinden sich mit uns im Säbelzahntiger). Wofür wir aber nicht entwickelt sind, ist: Im Falle eines auftauchenden Säbelzahntigers 112 zu wählen und auf die Fragen des Herrn am Telefon möglichst sachlich und vernünftig zu antworten.
    Man muss das dem Dr. Müller-Cyran nachsehen, er hat das Bild extra für die Rettungsleitstelle und ihren Umgang mit Anrufern entworfen. Wenn man es für die Trauerarbeit und die Traumatisierungsgefahr ausweiten möchte, muss man den Begriff des Säbelzahntigers und der 112 etwas weiter fassen. Der » Säbelzahntiger« ist dann nicht nur ein echter Säbelzahntiger, sondern alles, was ein außergewöhnlicher, unpassender Tod ist: Das kann auch ein Gast sein, der im Café tot vom Stuhl fällt, während wir danebensitzen. Und die » 112« steht für alles, was wir anstelle einer so zielgerichteten und sinnvollen Aktion wie Davonlaufen machen. Im nächsten Fall ist es ein Teenager, der sich vor einen Zug wirft – die Eltern können hinterher nichts mehr tun. Oder jemand stirbt über einen langen Zeitraum hinweg an einer schweren Krankheit – wenn man nicht der Arzt ist, kann man da auch nicht viel machen. Oder man hat beobachtet, wie ein wildfremder Mensch umgebracht wurde. Man kann es wohl etwa so zusammenfassen: Traumatisierend kann eine Situation wirken, in der man einem alarmierenden, beunruhigenden Vorgang in erzwungener Hilflosigkeit beiwohnen musste.
    Das mit der Hilflosigkeit muss dabei gar nicht stimmen: Es ist schließlich sehr wohl hilfreich, die 112 zu wählen. Aber traumatisierte Menschen sehen das nicht so. Die werfen sich dann vor, dass sie am Telefon nicht schnell genug die geforderten Antworten parat hatten. Oder in der Aufregung eine falsche Angabe gemacht haben. Sie finden fast immer etwas am eigenen Verhalten auszusetzen, etwas, das man hätte besser machen sollen.
    Gefühlte Hilflosigkeit in diesen besonderen Situationen kann man den Menschen leider nicht abnehmen. Wer sich hier Vorwürfe macht, dem hilft es wenig, dass er beim Einsargen danebengestanden hat. Wenn man in solchen Situationen Traumata vorbeugen möchte oder sie doch wenigstens reduzieren, dann muss man also an einem anderen Hebel ansetzen: Man versucht, der Situation im Nachhinein das Besondere zu nehmen. Das beginnt schon in der Rettungsleitstelle. Wenn meine Kollegen und ich ans Telefon gehen, strahlen wir Ruhe aus, wir sind routiniert im Umgang, freundlich und ganz sachlich. Wir erwecken den Eindruck, als wäre das eine ganz normale Angelegenheit, nichts, das uns überfordert, so als würde uns die Situation keinesfalls an unsere Grenzen bringen. Und so wirken wir, selbst wenn uns der Anrufer erzählt, dass soeben eine Fabrik für Feuerwerkskörper in die Luft geflogen ist, ja, genau, die Fabrik neben der neuen Kindertagesstätte.
    Das machen wir natürlich nicht in erster Linie aus Sorge um seine Traumatisierung, sondern damit wir mehr oder minder brauchbare Informationen von ihm bekommen. Aber helfen tut es ihm trotzdem. Und so machen das alle Helfer und Ersthelfer. Sie reden mit Verletzten und Zeugen, sie binden Verletzte und Angehörige in die Versorgung ein, sie wirken möglichst normal. Und das KIT ist im Grunde nichts anderes als der Gedanke, diese Normalität, dieses Gefühl, dass man wenigstens hier und da noch ein wenig Sicherheit im Chaos vorfindet, zu vergrößern. Indem man Menschen zur Verfügung stellt, die nicht in erster Linie zum Verarzten da sind oder dazu, aus einem zusammengeknüllten

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