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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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kampieren. Da will ich dir nichts vormachen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass ein Bär zu uns ans Feuer kommen wird.“
    Sandra schluckte. „Erzähl mir, wie unwahrscheinlich oder gefährlich es in Wirklichkeit ist. Schonungslos. Ich werde sowieso vor Angst sterben, und ich fühle mich immer besser mit der Wahrheit.“
    Er sah ihr in die Augen und nickte dann, als hätten sie eine Abmachung getroffen.
    „ Letzten Monat ist ein Mann mit seinem kleinen Sohn fischen gegangen. Ein Grizzly hat sie beide geholt.“
    Sandra atmete tief ein und aus, um die Welle der Übelkeit, die ihre Kehle einengte, einzudämmen. Hunger krampfte ihren Magen zusammen, den ganzen Tag schon, und die Vorstellung von dem armen Kind im Todeskampf mit einem Grizzly verursachte Würgereiz. So schonungslos hatte sie sich die Antwort doch nicht vorgestellt. John sah ihr Unbehagen und machte diesmal keinen Versuch, sie zu necken, wobei der Ernst in seiner Stimme nichts zu ihrer Beruhigung beitrug. Fast wünschte sie, er würde wieder sorglose Witze machen.
    „ Man darf keine Fehler begehen in der Wildnis. Wahrscheinlich hat der Mann ein paar Regeln missachtet. Vorräte nicht herumliegen lassen, ist eine davon. Vielleicht hat das Kind versucht den Teddy zu streicheln, wer weiß. Und der Grizzly mag offene Tundra und Flussufer, während der harmlosere Braunbär mehr in den dichten Wäldern bleibt. Es passiert immer wieder, aber im Durchschnitt nicht oft. Es sterben viel mehr Menschen durch Autounfälle.“
    „ Wie beruhigend“, sagte sie und grinste schief. „Und du willst am Fluss campen, wo Grizzlys sich rumtreiben? Hast du einen Todeswunsch?“
    John lachte darüber. „Ich erzähl dir jetzt mal was über Bären. Der Braunbär wird nur um die achtzig Kilo schwer, ist aber wesentlich behänder als ein Mensch. Was bedeutet, ein erwachsener Mann hätte theoretisch die Chance ihn davonzujagen. Aber im Zweikampf würde der Bär gewinnen. Normalerweise aber ernähren sie sich von Pflanzen und Kleintieren, nicht von Menschen. Lässt man einen Braunbären in Ruhe, dann tut er dasselbe. Ein Grizzly allerdings wiegt über hundertsiebzig Kilo und kann schon leichter aggressiv werden. Dem geht man besser aus dem Weg. Dann muss man aber auch erwähnen, dass der Grizzly scheuer ist und nicht so neugierig wie der Braunbär, und ...“
    Sandras verengte Augen stoppten seinen Vortrag.
    „ Wenn du glaubst, das hat mir jetzt irgendwie geholfen, bist du auf dem Holzweg.“
    John ließ sein samtiges Lachen hören und tätschelte ihre Schulter.
    „ Ich dachte, mehr Information nimmt dir zumindest die irrationalen Ängste. Aber ich kann mich auch irren, bin schließlich kein Psychiater. Ich selbst stehe auf Informationen. Auf ihnen baue ich mein Weltbild auf.“
    Sandra konnte dafür ein Lächeln aufbringen.
    „ Das ist es, wie männliche Wesen die Welt sehen. Nüchtern, logisch und auf Wissen aufgebaut. Ich kann das nur beneiden.“
    Sie seufzte tief. John sah sie an wie ein Kind, das zu trösten seine Aufgabe war. Hilflos, ob der bösen Welt da draußen, doch um Zuversicht bemüht.
    „ Komm, lass uns weitergehen. Ich hab ja noch die Waffen. Ich verspreche dir eine ruhige Nacht am warmen Feuer und ein leckeres Abendessen.“
    „ Ein Abendessen? Wir haben doch gar nichts dabei.“
    John deutete auf die Gewehre um seinen Hals.
    „ Damit sollte ich etwas einkaufen können.“
    Sandra wollte widersprechen, doch John lief schon wieder voran. Erstens stellte sie es sich nicht angenehm vor zu sehen, wie ein Tier erschossen wurde, und zweitens wollte sie auch nicht zuschauen müssen, wie er es ausweidete. Und außerdem hatte sie außer dem Murmeltier noch nichts Schiessbares gesehen. Sie konzentrierte sich auf den letzten Teil ihrer Befürchtungen und teilte sie John mit.
    „ Keine Sorge. Dieser Indianer hier wird dich schon nicht hungern lassen.“
    Er blinzelte neckend und sie machte einen innerlichen hmpf -Ton. Sie hatte einen wahren Mann bei sich, der sich in der Wildnis auskannte wie in seinem eigenen Hinterhof, was sollte also schon passieren. Andererseits war sie es gewohnt, sich nur auf sich selbst zu verlassen und schon gar nicht auf einen Mann, der sich hatte niederschlagen lassen.
    Nach einer weiteren Stunde ermüdendem Gang über unebenes Gelände erschien die Kurve eines breiten Stromes. Die nächsten Bäume standen weit weg und man hätte einen Bären früh genug erkennen können. Aber was, wenn tatsächlich einer käme? Nicht mal auf einen Baum

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