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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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Hinterhalt auf uns warten.“
    Wilderer. Hinterhalt. Waffen. Wilde Tiere. Moskitos. Vor Sandras geistigem Auge liefen Szenen aus einem Western ab. Das durfte alles einfach nicht wahr sein. Sie knabberte an ihrer Unterlippe. Als sie bemerkte, dass John verträumt auf ihren Mund starrte, hörte sie damit auf.
    „ Also müssen wir einen Umweg gehen?“
    Er nickte. „Und ich fürchte es ist ein langer Umweg.“
    Sandras Kehle wurde trocken. Sie dachte an das Bier und an seine Mahnung, es sich einzuteilen.
    „ Wie lang?“
    Er zuckte die Achseln, verzog das Gesicht und kratzte sich am Kopf.
    „ Ein, zwei Tage.“
    Sie starrte ihn an. Die Isomatte rutschte ihr aus der Hand und beinahe hätte sie, im Versuch sie aufzufangen, das Bier fallen lassen.
    „ Wie bitte?“
    „ Es gibt nicht viele Straßen in Kanada. Die meisten Orte und Plätze erreicht man nur auf einem einzigen Weg durch die Berge. Ich möchte diesen Kerlen wirklich nicht ihre Gewehre wiedergeben müssen.“ Er machte eine Pause, ließ seine Worte auf sie wirken, um ihnen mehr Gewicht zu geben. „Das bedeutet, wir müssen uns durch die Wildnis schlagen, und das dauert eben länger, denn es stehen leider ein paar hohe Berge im Weg.“
    Sandra erinnerte sich an die Serpentinen, die sie hochgefahren waren. Er hatte recht. Das alles per Pedes, über Stock und Stein, würde ewig dauern.
    „ Es tut mir leid“, sagte John leise und sie erkannte echte Betroffenheit in seinem Blick. Es tat ihm wirklich leid, aber was half das? „Keine Angst, ich habe dich in diese Situation gebracht und ich bringe dich auch wieder raus.“
    Sein Blick versuchte ihr Kraft zu geben, doch sein Äußeres machte nicht den Eindruck dazu in der Lage zu sein. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, der Bartwuchs hatte seine untere Gesichtshälfte dunkel gefärbt und sein Haar war ungekämmt. Wie brachte er es nur fertig, trotzdem zum Anbeißen auszusehen?
    „ Schon gut“, sagte sie und winkte ab. „Hier, nimm noch eine Schmerzpille und lass uns gehen.“
     
    Sie setzten sich in Bewegung und Sandra folgte ihm wie angeleint. Seine Verletzungen reduzierten seine Geschwindigkeit diesmal auf eine, mit der sie problemlos Schritt halten konnte. Ab und zu hörten sie ein Geräusch, das Sandra innehalten ließ. Aber sie konnte keine seltsamen Tiere sehen. Nur Bäume, niedriges Gebüsch und graues Gestein. Man hörte keinen Autoverkehr und nur wenige Vögel zwitscherten. Die Wildnis schien wie ausgestorben. Aus dem Augenwinkel nahm Sandra einen Schatten wahr und blieb stehen. Am blauen Himmel zog ein großer Vogel lautlose Runden. Majestätisch bewegte er sich durch die Luft, schwebte perfekt unter dem Einsatz von nur wenigen Flügelschlägen.
    „ Ein Weißkopfadler“, erklärte John.
    „ Der ist aber groß. Ich dachte schon, es ist ein Flugsaurier.“
    John lachte verhalten. Wahrscheinlich taten ihm die Rippen weh. Sandra hielt eine Pause wegen ihm für angebracht, aber John wollte nichts davon hören. Stoisch wanderte er weiter. Die Gewehre um seinen Hals klapperten leise. Stunden vergingen und als er plötzlich stehen blieb, spürte Sandra ihre Beine automatisch weiterlaufen. Sie zwang sich zum Anhalten.
    „ Riechst du das?“, fragte er.
    Sandra erschnüffelte die Luft wie ein Hund. Jetzt merkte sie es auch. Ein scharfer Geruch von gemähtem Gras, das bereits eine Weile auf einem Haufen lag und zu verrotten begann. Sie hatte es nur am Rande wahrgenommen, es für den Duft der Natur an dieser Stelle gehalten.
    „ Eklig. Was ist das?“
    „ Ein Bär. Es ist ein Bär in der Nähe“, flüsterte John.
    „ Das ist der Geruch von Bären?“
    John nickte und sah sich um. Sie befanden sich in einem Tal und liefen durch niedriges Buschzeug, aber nicht weit um sie herum, am Fuße der kahlen Berge, standen undurchdringliche Baumreihen, sauber und ordentlich wie in einer Baumschule.
    „ Die Bären halten sich normalerweise in Deckung, aber manchmal streunen sie auch durch offene Flächen wie diese hier. Und ich habe vorhin schon Bäume mit Kratzspuren gesehen. Wir sind im Revier eines Bären, der nicht weit sein kann.“
    Johns vorsichtiges Flüstern kroch ihr eiskalt den Rücken hoch. Wie in einen Horrorfilm versetzt, wagte sie kaum mehr, sich zu bewegen oder zu atmen. Der Braunbär vor der Hütte hatte nicht so ausgedünstet, aber vielleicht war er vorher in einem See schwimmen gewesen. Oder der Wind hatte in die andere Richtung gestanden.
    „ Und was machen wir jetzt?“, flüsterte sie

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