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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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Menge, das er sich abgewöhnen muss. Das braucht Zeit, wirf die Flinte nicht wieder zu schnell ins Korn.“
    „ Ich werde daran denken, Tantchen.“
    Tante Gudrun blieb skeptisch.
    „ Na hoffentlich.“
     
    Sandra dachte an Gudruns Worte als sie im Flugzeug nach Vancouver vergeblich zu schlafen versuchte. Neun Stunden Langweile. Neun Stunden Zeit, um ihren Entschluss zu bereuen. Der Film, den die Fluggesellschaft zeigte, war wie von ihr vorbestellt. Eine romantische Komödie mit Meg Ryan. Das Happy End ließ sie seufzend auf ihrem Platz dahinschmelzen.
    Nun würde sie also ein ganzes Jahr im Büro in Vancouver arbeiten und ihr eigenes romantisches Abenteuer erleben. Rolf hatte ihr das ermöglicht. Er hatte sich um eine Arbeitsgenehmigung gekümmert und das Visum beantragt. Florence würde sich um ihre Wohnung in Köln kümmern, ab und zu lüften und die Blumen gießen.
    Sie hatte ihren Job mit dem Kollegen Paul Doyle aus Vancouver getauscht, der schon lange um eine Probeversetzung nach Deutschland gebeten hatte und nun sein Glück kaum fassen konnte. Sandra hegte ähnliche Glücksgefühle. Sie war froh, nicht nur die Arbeit in einem fremden Land ausprobieren, sondern auch ihr Privatleben ordnen zu können. In diesem Jahr würde sich herausstellen, ob John ein Traum- oder ein Albtraummann war.
    Sie hatten sich bis zum Exzess Emails geschrieben und so oft telefoniert, dass ein Großteil von ihrem Verdienst für die Telefonrechnung draufging und sie wegen des Zeitunterschiedes kaum Schlaf bekommen hatte. Die Gespräche wurden immer leidenschaftlicher, heißer, aufregender. John hatte es geschafft, Sandra dort hinzubringen, wo er schon von Anfang an gewesen war, reduziert auf den stärksten menschlichen Urinstinkt. Sie träumte jede Nacht von seiner Umarmung und konnte kaum erwarten ihn wiederzusehen.
    Die Aufgabe, die sie sich gestellt hatte, war jedoch nicht einfach. Sie wollte John beweisen, dass man durchaus mit ein und demselben Partner glücklich sein konnte. Als ob sie darin eine Spezialistin wäre. Sie musste darüber lachen. Gudrun hatte gesagt, sie solle sein wie sie wirklich war, aber nicht vergessen, ihre weiblichen Instinkte für sich denken zu lassen. Nicht die Logik solle sie leiten, nicht irgendwelche Moralvorstellungen, sondern ihr Gefühl. Es zählten nur sie und John, niemand sonst. Sie wollte es versuchen, denn ein Leben ganz ohne John konnte und wollte sie sich nicht mehr vorstellen.
    Es würde sicher seltsam werden, ihm wieder gegenüberzutreten. Sie hatte ihm Dinge gesagt und geschrieben, für die man sich schämen könnte. Sie hatte sich nicht geschämt. Aber wie würde es sein, wenn sie ihm in die Augen blickte und daran dachte, welch erotische Dinge sie zu ihm gesagt hatte? Würde sie im Erdboden versinken? Verdammt, wie sollte sie bei der Aufregung schlafen können?
     
    Schließlich war sie doch eingenickt. Sie schrak auf, als der Kapitän die baldige Landung verkündete. Das kanadische Englisch klang weich und war deutlicher zu verstehen als amerikanisches oder britisches. Sie hatte bereits beim letzten Besuch recht schnell heraushören können, ob sie es mit einem echten Kanadier zu tun hatte oder mit einer englisch sprechenden Person vom Rest der Welt. Johns Englisch war kanadisch, jedes Wort gut betont und unglaublich sexy. Sie war am Telefon jedes Mal zu einer Pfütze geschmolzen. Er hätte ihr eine Einkaufsliste vorlesen mögen, allein der Klang seiner Stimme mit diesem Englisch versetzte ihren Körper in köstliche Vibrationen.
    Nach einem Besuch der Bordtoilette und dem Auftragen einer frischen Make-up-Schicht, fühlte sie sich wieder wie ein Mensch. Ein müder Mensch zwar, aber immerhin. Die aufregende Vorfreude, gleich John wiederzusehen, färbte ihre Wangen und peitschte genug Durchblutung durch ihre Haut, um offiziell als wach durchzugehen.
     
    Der Weg durch den Zoll war lang und zermürbend. Als sie nahe genug an den Scheiben war, hielt sie nach John Ausschau. Sie konnte ihn nirgends entdecken.
    Endlich durfte sie durch die letzte Tür gehen. Menschen unter Cowboyhüten, in Cowboystiefeln und warmen Jacken umzingelten sie, englisches Geschnatter und fröhliche Begrüßungsrufe überall. Und dort stand John. Er trug eine offene gefütterte Wildlederjacke und hatte die Hände in den Taschen vergraben. Das lange Haar umrahmte sein lächelndes Gesicht. Die Erinnerung daran, wie verdammt gut er aussah, war mit der Zeit verblasst und die Realität traf sie nun wie ein Hammerschlag.

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