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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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würde – ohne sie. Denn wir wissen ja alle: Ankündigung ist schon mal die halbe Miete!
    »Wie war’s eigentlich in den Bergen?«
    »Oh Gott. Frag bitte nicht …«
    »Ok, ich frag nicht.«
    Ups. Doch nicht den richtigen ›Ziegenpeter‹ gefunden?
    Also weiter im Text.
    »Du musst im Grunde gar nichts machen. Setz sie auf die Decke, sie macht schon ihr Ding.«
    Davon war ich überzeugt. Ilka sah auf ihre Armbanduhr: »Um elf dann den Brei. Das Gläschen ist hier, heute bekommt sie Pastinake.«
    Pasti… was? Das klang wie eine Drohung oder irgendein Nachkriegsgemüse. Das arme Kind.
    Ilka kramte ein Glas aus der Tasche und stellte es auf den Couchtisch. Eine weiße Paste war darin. Pastinakenpaste. Bäh. Ich würde ihr nachher erst mal etwas Ordentliches machen.
    »Die Flasche ist … Moment, hier. Und dann einfach bis da«, sie zeigte auf einen Strich auf der Plastikflasche, »mit abgekochtem Wasser auffüllen. Am besten, bevor du sie ihr gibst, kurz den Pulstest machen.«
    »Den Pulstest?«
    Oh Gott, was sollte ich tun, wenn etwas mit ihrem Puls nicht stimmte? Wann war mein letzter Erste-Hilfe-Kurs?
    »Du lässt die warme, fertige Milch einfach über dein Handgelenk laufen, da etwa, wo man den Puls misst. Wen n die Temperatur okay ist, gibst du ihr die Flasche. Das Gleiche mit dem Brei.«
    Ich sollte mir den Brei auf den Arm schmieren?
    »Das wird schon. Sonst ruf halt an. Ich beeil mich. Wo ist eigentlich Micha?«
    »Das Dach seiner Eltern reparieren«, erklärte ich und versuchte dabei möglichst glaubwürdig zu erscheinen, um jegliche Fragen zu vermeiden.
    Dann gab sie Karlotta einen Kuss, drückte mich und verschwand.
    Karlotta lächelte mich mit ihren sechs Mäusezähnchen an. Entweder hatte sie nicht mitbekommen, was hier gerade passierte, oder es tangierte sie nicht wirklich. Erstaunlich.
    Ich nahm sie auf den Arm, so, wie Micha es gemacht hatte – vor etwas mehr als einem Jahr –, und stellte fest: Das ging nicht mehr. Dazu hatte sie jetzt gefühlte zwölf Kilo zu viel auf den Rippchen. Ob das normal war für ein Baby mit vierzehn Monaten? Keine Ahnung. Ich setzte mich aufs Sofa und sie auf meinen Schoß.
    Die Augen, der Mund – genau wie Max.
    »Du Arme siehst aus wie der Papa. Aber das verwächst sich bestimmt noch.«
    Von einer Sekunde auf die andere zog sie die Mundwinkel nach unten, machte eine Schnute, als hätte sie mich verstanden, und bekam eine ganz neue Gesichtsfarbe. Dunkelrot.
    Da half alles Wiegen, gut Zureden und Entschuldigen nicht. Karlotta war mit der Gesamtsituation unzufrieden, und daraus machte sie kein Geheimnis.
    Der Schnuller! Wo war der Schnuller?
    Ich nahm die Wickeltasche und wühlte einarmig darin rum. Meine Güte. Was so ein kleiner Mensch alles brauchte. Ich kippte die Tasche aus, alles andere dauerte zu lange.
    Endlich fand ich das kleine Plastikstück. Der Erfinder des Schnullers sollte den Friedensnobelpreis erhalten. Sie hatte das Ding noch nicht einmal im Mund, da wurde es schlagartig leise. Puh.
    Ich setzte Karlotta auf ihre Krabbeldecke, in der Hoffnung, sie möge damit einverstanden sein. Es wurde nicht protestiert.
    Der Begriff »Krabbeldecke« war, meiner Meinung nach, völliger Blödsinn. Kinder, die schon krabbeln konnten, würden es sicher nicht auf dieser ein mal ein Meter kleinen Decke tun. Es war eher eine »Ablagefläche«, und zwar eine unpraktische, wie sich schnell herausstellte. Denn die Ablagefläche hatte keine Räder, um Karlotta darauf durch die Wohnung zu rollen, und sobald ich den Raum verließ, um – Entschuldigung – auf die Toilette zu gehen, veränderte sich ihre Gesichtsfarbe wieder, und es war vorbei mit der Ruhe.
    Okay, dann half wahrscheinlich nur eins: spazieren gehen. Nicht dass ich wild auf Bewegung war, aber Kinder schlafen am besten im Kinderwagen oder im Auto ein, so viel wusste ich immerhin.
    Ich ging ans Fenster und schaute in den Himmel. Es war nicht gerade Starwetter, aber für einen Oktobertag in Hamburg doch noch ganz manierlich, zumindest kam nichts Nasses von oben runter. Das war doch schon mal was.
    Ich packte den ganzen Tütelkram ein, nahm Karlotta auf den Arm und ging, mit gefühlten dreißig Kilo mehr als vor einer halben Stunde, durchs Treppenhaus nach unten.
    Waltraud sah mich an, als wollte sie sagen: Und wer bitte schön nimmt mich auf den Arm? Sie fing an zu fiepen und legte den Kopf schief.
    »Du kannst alleine die Treppe runtergehen, meine Liebe , auch wenn du schwanger bist. Runter kriegst du es bestimmt

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