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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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einfach aufgeben.«
    Aha.
    »Meine Eltern wollen, dass ich ihnen beim Dach etwas helfe. Da ist irgendwo ein Marder, und nun sollen die Lücken mit Draht versperrt werden.« Er machte eine kurze Pause. »Ich fahre nachher hin und komme dann Sonntagabend wieder, dann haben wir beide etwas Abstand. Okay?«
    Okay?! Dach? Marder? Wie konnte man sich denn in so kurzer Zeit so einen Blödsinn ausdenken?
    »Dann kannst du auch gleich deine Mutter fragen, ob sie den Geburtshelferjob übernehmen will. Sag ihr auch gleich, dass ich dafür nicht gemacht bin, dann kann sie sich den Rest denken.«
    »Woher willst du denn wissen, dass du dafür nicht gemacht bist?«
    Ich war wie betäubt. Eine Dreiviertelstunde später war er weg.
    *
    Allein sein, weil man allein war, war das eine. Aber allein sein, obwohl man eigentlich nicht allein war, war etwas anderes. Und dieses Alleinsein war nicht zum Aushalten. Ich musste mit irgendwem reden. Waltraud sah mich mit ihren Knopfaugen an, aber das half mir jetzt auch nicht weiter.
    Ich nahm mein Telefon und klingelte alle einmal durch. Bei der einen war besetzt, bei der anderen ging nach x-ma l Klingeln die Mailbox an, und bei der Nächsten war das Handy gleich ganz ausgeschaltet. Sehr konsequent.
    Ich verharrte ein paar Minuten bewegungslos, als würde ich Modell sitzen für einen Porträtzeichenkurs an der Volkshochschule. Ich rührte mich keinen Millimeter. Dann holte ich tief Luft, stand auf und ging in die Küche. Das half meistens. Die Küche hatte fast immer eine Lösung parat, beziehungsweise der Kühlschrank.
    Ich machte mir einen Kakao, holte mir die Flasche Rum, die noch von meinem letzten Geburtstag übrig war, aus dem Küchenschrank, kippte den Rest hinein, setzte mich aufs Sofa und nahm mir mein Filofax. Dann blätterte ich alle Seiten des Adressteils durch, angefangen bei A.
    Wahnsinn, wie viele Leute ich mal gekannt hatte. Ich nahm einen großen Schluck aus dem Becher. Mein Bauch wurde warm.
    Dann kam ich bei L an. Leo! Leo hieß eigentlich Leonie, und ich hatte sie so lange nicht gesehen und nicht gesprochen, dass ich auf Anhieb gar nicht sagen konnte, wann das letzte Mal war. Schon vor ein paar Jahren hatte sie sich von der heterosexuellen Gemeinschaft verabschiedet, und um ein Zeichen für diesen Neuanfang zu setzen, hatte sie sich von zwei Dingen getrennt: von ihrem Heimathafen Hamburg und von dem »nie« am Ende ihres Namens. Sie meinte, sonst würde es nie klappen. Nun wohnte sie also mit einem neuen Namen in einer neuen Stadt.
    Ich spürte eine große Erleichterung, als sie den Hörer nach dem vierten Klingeln abnahm und auch nicht so klang, als würde es ihr gerade nicht passen. Sie erzählte mir mit ihrem trockenen Humor, den ich so an ihr schätzte, dass sie immer noch keinen Job als Bühnenbildnerin gefunden habe, wie anders Berlin doch sei, und erst die Menschen.
    Doch als ich ihr gerade vorschlagen wollte, dass ich auch gern mal ein Hauptstadtwochenende einlegen könnte, passierte das Unfassbare.
    »Charly, um ehrlich zu sein, so gut geht es mir eigentlich gar nicht … Was soll’s? Dir kann ich es ja sagen.«
    »Was ist denn los, Leo?«
    »Ach, es ist wegen des Spenders. Zwei Jahre lang haben wir nach einem geeigneten Spender gesucht und dann …«
    Spender? Oh Gott. Meine Freundin sitzt in Berlin, ist todkrank, ich weiß davon nichts und sitze stattdessen in meiner Wohnung und bemitleide mich selbst!
    Ich stellte den Kakao auf den Wohnzimmertisch, setzte mich kerzengerade auf und nahm mir vor, dass ich mir auf der Stelle einen Organspendeausweis zulegen würde.
    Ich unterbrach sie. »Du brauchst einen Spender? Was … wenn ich fragen darf … was ist denn mit dir?«
    »Natürlich brauchen wir einen Spender. Wie soll es denn sonst gehen, Charly? Oder hast du eine andere Idee?«
    Hatte ich eine andere Idee? Ich hatte keine. Ich stand unter Schock. Beide brauchten einen Spender! Ich konnte es nicht fassen.
    »Wir haben so lange gesucht, und dann hatten wir endlich einen auf der Party von Frank und Felix getroffen. Du weißt doch, die beiden hier aus dem Haus. Ich hab doch schon mal von den beiden erzählt.«
    »Du hast auf einer Party einen Spender gefunden? Woher wusstest du denn, dass er ein Spender ist?«
    »Ich habe ihn gefragt.«
    »Du hast ihn gefragt? Einfach so?«
    »Na ja, einfach so natürlich nicht. Wir haben ihn erst mal eine Weile beobachtet. Aber er war perfekt! Das sah man sofort. Schlau, schön und schon vergeben. Er war natürlich etwas irritiert,

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