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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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er, aber das arme Ding war bisher mit seinem Namen zufrieden gewesen, und der arme Hund würde seinen Platz auf der Stelle räumen.
    »Hopp!«, sagte ich.
    Ic h hielt Karlotta im Arm und sah Waltraud dabei streng an, in der Hoffnung, sie würde den Wagen freiwillig wieder verlassen. Tat sie aber nicht. Stattdessen duckte sie sich und machte sich flach, als hätten wir Fliegeralarm.
    »Eins, zwei … und los!«, drohte ich ihr.
    Na, super. Kaum war der Mann aus dem Haus, hört der Hund nicht mehr.
    Eine junge Mutter, die vermutlich mit dreizehn das erste Kind bekommen hatte – anders konnte ich es mir nicht erklären, wie man mit vier Kindern aussehen konnte, als hätte man gerade eine Thalassokur hinter sich –, kam auf uns zu. Sie hatte trotz all der Schwangerschaften eine bessere Figur als alle Frauen, die ich kannte – was sie mir automatisch unsympathisch machte.
    »Da verlangen Sie aber etwas viel. In dem Alter konnten meine gerade mal laufen.«
    Ach, mit knapp vierzehn Monaten? Das sprach nicht unbedingt für sie.
    Ich versuchte sie zu ignorieren – ihre Figur – und erwiderte: »Meine anderen acht haben in dem Alter die ersten Medaillen der Klasse 1 der Förderungsgruppe für leistungsorientierten Sport nach Hause gebracht.«
    Dann nahm ich den Wagen und kippte ihn so lange, bis Waltraud rausplumpste.
    »War ein Scherz!«, sagte ich noch, um ihre armen Kinder vor jeglichem Drill zu bewahren.
    Dann gingen wir.
    Als ich wieder allein abends im Bett die Fotos von Karlotta – auf meinen Oberschenkeln, im Querformat, im Hochformat, im Kinderwagen, auf dem Rücken, auf dem Bauch mit gestrecktem Kopf, in meinem Arm – noch einmal ansah, musste ich feststellen, dass die Kleine nicht einfach nur süß war. Sie war ja zum Auffressen süß.
    Und ich war auch ein bisschen, ein ganz kleines bisschen, stolz auf mich. So übel war ich doch gar nicht als Ersatzmama – von dem kleinen Fastunglück mal abgesehen, das selbstverständlich ein Geheimnis zwischen uns Frauen bleiben würde.
    Bevor ich mich hinlegte, googelte ich noch nach Kaffeebecherhaltern für Kinderwagen. Was es da alles gab! Ich entschied mich für den Bugaboo-Becherhalter. Schlicht schwarz. Da konnte man nichts falsch machen. Den konnte ich dann sowohl an Waltrauds Karre anbringen als auch bei meinem nächsten Einsatz mit Karlotta. Perfekt.
    *
    Der Sonntag fühlte sich an, als hätte er mehr Stunden als alle anderen Tage zusammen. So lang war er schon seit Ewigkeiten nicht mehr gewesen. Zumindest nicht so extrem. Im Grunde seit zehn Monaten nicht – seit ich Micha kannte. Er hatte es geschafft, dass der Sonntag und ich Frieden schließen konnten und sogar gute Freunde geworden waren. Doch das war jetzt vorbei. Ich hasste ihn. Nicht nur weil er wieder so unerträglich lang war, sondern weil ich wusste, dass Micha erst am Abend wiederkommen würde. Das machte es noch schlimmer. Die Stunden wollten nicht vergehen, sosehr ich auch versuchte, sie rumzukriegen. Selbst schlafen klappte nicht. Damit hatte ich früher oft drei Stunden oder mehr auf einen Schlag erledigt.
    Ich klingelte bei Hanne. Keiner da. Ich rief Ilka an, die mich sofort wegdrückte und eine SMS schickte: Sie schläft gerade.
    Aha. Und warum kann man dann nicht telefonieren? Sie lebte doch nicht in einer Einraumwohnung. Mütter!
    Mir blieb nur eine Möglichkeit: fernsehen.
    Das ertrug allerdings auch kein Mensch. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass das hier eventuell bald schon wieder der »Normalzustand« in meinem Leben sein könnte. Ich, allein, sorry, mit Waltraud und zig Welpen auf dem Sofa. Nicht weil Micha gerade Dächer reparierte, sondern weil er ausgezogen war. Dass bald schon Schluss sein könnte mit aufwachen und lachen – zumindest in Charly Schönbergs seit einem knappen Jahr existierendem Privatleben.
    Alles, nur das nicht!
    Ich machte den Fernseher wieder aus, legte mich aufs Sofa, nahm das Kissen und legte es – ohne mir dabei etwas zu denken – auf meinen Bauch und umklammerte es. Als ich realisierte, was ich da machte, nahm ich es und stopfte es unter mein T-Shirt. Ich sah aus, als wäre ich kurz vor der Niederkunft. Umständlich erhob ich mich und ging zu meinem großen Spiegel.
    Aha, so sah ich also mit rundem Bauch aus. Ich drehte mich und betrachtete mein Spiegelbild von der Seite. Stand mir ganz gut. Ich stemmte die Hände in die Hüfte – wie Schwangere es immer taten – und ging von links nach rechts und von rechts nach links am Spiegel entlang. Im

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