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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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teilten erst die Tageszeitung, dann verbrachten wir den Tag gemeinsam.
    Es gab ja Menschen, die zu einem passten wie ein Paar bequeme, ausgelatschte Schuhe. So jemand war Marc. »Eine Wellenlänge« würde in diesem Zusammenhang gut passen, denn er surfte wirklich. Auf Fuerteventura und Fehmarn. Und weil es ohne Brett unter den Füßen nicht ging, fuhr er auch Skateboard. Heute allerdings nicht. Und das war auch gut so, denn sonst hätte er mich nicht so einfach mitnehmen können.
    Aus einem herrlich amüsanten Gespräch wurde eine Fahrt mit seinem Rad, das vorne eine Tragefläche hatte, auf die ich mich setzte. Darauf folgte ein weiterer Kaffee an der Elbe, eine weitere Fahrt, ein alberner Besuch auf dem Dom, ein Essen im Karoviertel, ein Drink, noch ein Drink und noch einer. Wir versuchten die Tatsache, dass der Tag irgendwann zu Ende gehen würde, zu verleugnen, und zogen ihn in die Länge. Wir suchten immer wieder neue Gründe, uns noch nicht voneinander zu verabschieden – ohne dass es zu offensichtlich wurde.
    Ich fühlte mich wie die 15-Jährige, die ich mal gewesen war: unbeschwert, zu allen Schandtaten bereit und mit einem gut durchbluteten Gesicht. Es war längst klar, dass es mehr war als nur ein schöner Tag und ein schöner Abend zu zweit, trotzdem blieb es dabei.
    Während unseres Ausflugs quer durch die Stadt hatten wir in einem Bistro am Pferdemarkt eine Bekannte von ihm getroffen. Sie hatte mich mit diesem gewissen Blick angeschaut, den nur Frauen draufhaben und den auch nur Frauen zu interpretieren wissen. Erstens: Wer bist du? Und zweitens: Hat er dir etwa nicht erzählt, dass er eine Freundin hat?
    Sie stellte die entscheidende Frage, die alles andere beantwortete: »Ist Sophie dieses Wochenende gar nicht da?«
    Danke. Das reichte. Aber ich wollte mir die schöne Stimmung dieser Stunden nicht vermiesen lassen und entschied mich, es zu überhören. Zumindest, bis der Abend vorüber war.
    Ich tat uninteressiert und schaute aus dem Fenster auf den Pferdemarkt, spürte aber Marcs Blick. Es war ihm unangenehm. Er versuchte, das Thema zu wechseln. Ungeschickt. Ich nahm mir die Gala , während die beiden ihr Gespräch beendeten.
    Sophie. Wo war Sophie? Anscheinend hatten die beiden eine Fernbeziehung. Ich wollte es gar nicht wissen. Er war vergeben. Die Information genügte.
    Knappe zwölf Stunden nachdem er mir den freien Stuhl an seinem Tisch überlassen hatte, setzte er mich mit seinem Rad zu Hause ab. Während der Fahrt wurde mir klar, dass ich mir den letzten Mojito auch hätte schenken können.
    Vor der Haustür nahmen wir uns noch kurz in den Arm und tauschten unsere Nummern aus. Dann gab er mir einen Kuss, beziehungsweise er versuchte es. Er landete nicht auf meinen Lippen, sondern auf meiner Wange, denn ich drehte den Kopf schnell zur Seite. Er verstand.
    »Gute Nacht«, flüsterte ich und verschwand. Ich konnte aber nicht verhindern, dass meine Hand zuvor noch über seine wunderbar stoppelige Wange strich.
    Und so kam es, dass ich erst kurz nach Mitternacht, nicht mehr ganz Herr meiner Sinne, zurück in meine Wohnung kam. Ich stellte mich wieder vor den Spiegel.
    »Geht doch, Charly Schönberg!«
    Okay, ich hatte nicht den Mann fürs Leben gefunden, aber immerhin den Beweis erbracht, dass es Interesse an meiner Person gab. Von einem durchaus attraktiven Mann. 1:0!
    Ich griff in meine Tasche, holte den Lippenstift raus, nahm den Deckel ab und malte einen kleinen Strich oben rechts in die Ecke des Spiegels. So. Mal sehen, wie viele da noch folgen würden. Das wäre doch gelacht.
    Marc war der erste Mann, in den ich mich hätte verlieben können, nach dem Unaussprechlichen. Immerhin ein Anfang.
    Ich war zwar hundemüde, aber auch noch so aufgedreht, dass an einschlafen nicht zu denken war. Also setzte ich mich erst mal aufrecht ins Bett. Auf »Die drei Fragezeichen« hatte ich ausnahmsweise keine Lust, obwohl die eigentlich immer halfen, selbst bei den schlimmsten Einschlafproblemen.
    Mit dem Rücken an die Wand gelehnt sah ich mich im Raum um. Eigentlich war alles wie immer. Weiß der Henker, ob mich der letzte Mojito weitsichtig gemacht hatte, auf alle Fälle sah ich es in diesem Moment.
    Ja, das war es! Dieser Platz, dieser leere Platz im Bett. Diese Stille, diese Stunden alleine, die Wochenenden, das Telefon, das nicht klingelte, das Sofa, auf dem keiner wartete, das alles – diese Langeweile. Das war es, was mich störte.
    Schluss damit! Ich sollte den soeben verbrachten Tag zum Anlass

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