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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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etwas passieren. Und zwar sofort! Schluss mit dem Hinter-den-Freundinnen-her-Trauern, Schluss mit dem Warten, dass es wieder so werden würde, wie es irgendwann mal war! Schluss mit dem Alleinsein!
    Ich nahm das Telefon und wählte die Nummer der Taxizentrale. »Hallo, ich brauche einen Wagen in die Arnoldstraße 67. Bei Schönberg klingeln, bitte.«
    Dann zog ich mich an. Auf dem Weg nach unten hoffte ich, dass das Tierheim auch am Sonntag geöffnet hatte.
    *
    Das Tierheim hatte zwar geöffnet, man wollte mir aber nicht auf der Stelle einen Hund aushändigen. So etwas solle man auf keinen Fall spontan entscheiden, riet man mir und schickte mich mit dem Hinweis, es handele sich hierbei schließlich um ein Lebewesen, um das man sich kümmern müsse, wieder weg.
    Schon als Kind hatte ich mir einen Hund gewünscht. Erst war es meine Mutter, die sich sträubte, dann er , der keine Tiere in der Wohnung haben wollte und dem ich – in dem Irrglauben, wir würden ein Leben lang zusammen sein – androhte, wir bekämen im Altenheim getrennte Zimmer, damit ich endlich meinen Hund haben könne. Und jetzt, wo ich Single war, kam diese schlecht blondierte Tante daher und klärte mich über Verantwortungsbewusstsein auf, als wäre ich drei Jahre alt. Dabei brachte ich doch die besten Voraussetzungen mit. Ich hatte Zeit und Platz.
    Statt mit einem Gefährten nach Hause zu gehen, hatte ich Hausaufgaben bekommen. Ich sollte darüber nachdenken, was ich machen würde, wenn ich arbeiten ging, wenn ich in Urlaub fuhr und wenn ich mal krank war. Ob es dann jemanden gäbe, der sich um den Hund kümmern könnte?
    Hallo? Sah man mir mein Singledasein jetzt schon an? Und wenn ja, war das ein Grund, mich zu mobben?
    Gerne dürfte ich mal wieder kommen und einen Hund »zur Probe ausführen«.
    Na prima.
    *
    »Ein Lebewesen, um das man sich kümmern müsse« – dieser Satz kam mir am übernächsten Sonntag wieder in den Sinn. Weder hatte ich in den beiden vergangenen Wochen – wie all die anderen Mittdreißiger, die solo waren – im Fitnesscenter geackert und gebaggert, noch hatte ich mir eine Massage gegönnt, mir einen neuen Kinofilm angesehen, geschweige denn geshoppt oder meine Parkbank an der Elbe angewärmt. Ich hatte mal wieder nur gearbeitet.
    Selbst schuld, klar. Aber es war die einzige Möglichkeit, nicht nachdenken zu müssen. Zumindest nicht über mein eigenes Leben. Das Leben der anderen war da doch eine super Ablenkung, und die bekam ich immerhin jeden Morgen in meiner Sendung.
    Gleich nach dem ersten Kaffee stellte ich mich an diesem Sonntag vor den großen Spiegel in meinem Flur und betrachtete mich. War doch eigentlich alles okay – bis auf die Tatsache, dass ich dringend ein abschwellend wirkendes Augengel kaufen sollte.
    Ich drehte mich, hob das T-Shirt an, zog den Bauch etwas ein – was man leider kaum bemerkte –, streckte den Rücken gerade und betrachtete mich von der Seite. Vielleicht sollte ich doch langfristig mal an Sport denken, und etwas Sonne könnte auch nicht schaden, aber sonst?
    Ich kniff die Augen zusammen und trat ganz nah an den Spiegel heran. Hmm. Eine Augencreme wäre wirklich dringend angebracht. Oder doch Botox?
    Ich musste hier raus. Ich schnappte mir das Nötigste – Sonnenbrille und Portemonnaie –, ging durch die Ottenser Hauptstraße zum S-Bahnhof Altona und setzte mich in die nächste Bahn, die einfuhr. Zwei Stationen später stieg ich wieder aus.
    Am Schulterblatt hatten sich, wie immer bei Sonnenschein, entspannte Menschen unter wolkenfreiem Himmel mit viel zu großen Sonnenbrillen an viel zu kleinen Tischen zu einem viel zu späten Frühstück versammelt. Im Grunde genommen war es aussichtslos, hier noch einen Platz zu finden, obwohl … Es gab noch einen freien Stuhl, und der wurde mir mit einem freundlichen Lächeln gern überlassen.
    Er hieß Marc.
    Seine blonden Haare waren von Meersalz und Sonne ausgeblichen. Entweder surfte oder segelte er oder beides. Die Haut auf der Nase ließ mich vermuten, dass er gerade im Urlaub gewesen war und es mit dem Eincremen nicht so genau nahm. Von den paar Sonnenstrahlen hier im April konnte das jedenfalls nicht stammen. Er war nicht der Typ, der einen Bausparvertrag in der Schublade hatte, und sicher auch nicht scharf darauf, sein Fahrrad gegen einen Kombi einzutauschen, aber das war es ja auch nicht, was ich brauchte. Marc war sympathisch. Er hatte etwas. Und das reichte ja, um sich einen Tisch zu teilen. Dabei blieb es allerdings nicht. Wir

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