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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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aussahen, als hätten sie keinen Geschmack, von sich selbst jedoch genau das Gegenteil dachten, denn sie hatten ihren eigenen Modeblog und suchten Klamotten, für die sich andere vermutlich fremdschämen würden.
    Am späten Sonntagnachmittag war ich um fünf Säcke Müll und drei Kartons überflüssiger Bildung ärmer und um zweihundertfünfzig Euro und einen Hund reicher.
    Seit wann dieser kleine gefleckte Hund an meinem Tapeziertisch gesessen hatte, konnten weder Ilka noch ich sagen. Es fragte ja auch niemand nach.
    Er sah irgendwie lustig aus, wie ein etwas zu groß geratener Jack Russel mit dem Fell eines Pudels. Er ging mir knapp bis zum Knie und hatte helles Fell mit braunen und schwarzen Flecken – einer direkt auf dem rechten Schlappohr und einer an der Schwanzspitze. Sein Fell sah aus, als hätte es noch nie eine Bürste gesehen. Er legte den Kopf leicht schräg und sah mich an, als erwartete er von mir, dass ich aus meiner Tasche eine Wurst zaubern würde. Weil ich das nicht tat, hob er die Pfote. Half aber auch nicht.
    »Na, der weiß aber auch, wie man Frauen rumkriegt«, meinte ich, während ich nach einem der Aufseher Ausschau hielt.
    Ilka bückte sich und guckte aus unerklärlichen Gründen unter den Hund, als läge da die Antwort, wem er gehörte.
    »Sie«, sagte sie.
    »Wie? Sie?«
    »Es ist eine Hündin, kein Hund.«
    Männchen oder Weibchen, der Hund blieb. Warum auch immer. Ich fand schließlich doch noch zwei Standgebühreintreiber, wedelte wild mit den Armen und bat sie, einen Ausruf zu machen.
    Aber so etwas war nicht möglich, erklärten sie mir. »Bring ihn doch ins Tierheim«, war ihr einziger Rat.
    Doch das wollte ich nicht. Ich gab den beiden wenigstens meine Visitenkarte. Die kleine Hundedame tat so, als wäre ich das Erste gewesen, was sie nach ihrer Geburt erblickt hatte. Sie ging bei Fuß, setzte sich, wenn ich stehen blieb, schaute an mir hoch und machte Männchen. Ein komischer Hund.
    »Der passt zu dir, Charly. Er steht dir. Ich meine, sie steht dir«, ergänzte Ilka, die mir beim Aufräumen half.
    »Das ist doch keine neue Handtasche. Das ist ein Lebewesen.«
    »Ein Lebewesen ohne Namen.«
    »Genau, aber das können wir ja ändern. So, wie sie dich anhimmelt, könntest du sicher auch Dosenöffner zu ihr sagen, und sie würde auf dich hören!«
    »Sehr komisch. Und was soll ich bitte schön jetzt machen?«
    »Was du machen sollst? Gar nichts sollst du machen.«
    »Wie, gar nichts?«
    »Wer war denn vor Kurzem im Tierheim und wollte unbedingt einen Hund haben, na? Das war ja wohl eine Bestellung beim Universum .«
    » Das Buch habe ich gerade für fünfzig Cent verkauft, weil meine bisherigen Bestellungen leider nicht eingetroffen sind. Daran wird es also sicher nicht liegen. Außerdem war der Besuch im Tierheim nur so eine … so eine Idee. Nimm du sie doch mit, als eine Art Vorbereitungskurs fürs Kind.«
    »Ich habe eine Tierhaarallergie. Das weißt du doch! Die eine Nacht werdet ihr beiden Weiber doch wohl zusammen überleben, oder nicht?
    Ich schaute mich um. Alle Tische waren schon abgebaut. Nur wir standen noch vor dem ehemaligen Schlachthof. Es hatte keinen Sinn.
    Wir tauften sie mit dem Rest der Wasserflasche auf den Namen Waltraud. Irgendwie erinnerte mich ihre Frisur an meine alte Großtante. Gott hab sie selig.
    Waltraud überlegte es sich nicht anders. Sie wich auch weiterhin nicht von meiner Seite. Wir fuhren am nächsten Morgen zusammen U-Bahn, tranken Milchkaffee beim Portugiesen und gingen Seite an Seite in den Sender, als wäre es nie anders gewesen.
    Ich wollte einfach abwarten, bis mich jemand ansprach. Eine Bitte am Montagmorgen war nicht angebracht. So gut kannte ich meinen Günther inzwischen. Die Strategie lautete, sich unauffällig zu verhalten.
    Meine Argumente hatte ich mir aber vorsichtshalber paratgelegt.
    1.Im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen rauchte ich nicht, dementsprechend musste ich auch nicht ständig Rauchpausen einlegen. Diese Zeit konnte ich zum Gassigehen nutzen.
    2.Studien bewiesen, dass Hunde für ein besseres Klima in Büros sorgten.
    3.Sie war ja gar nicht mein Hund. In wenigen Tagen würde sie wieder bei ihrem Besitzer auf dem Sofa sitzen.
    Die erste und schlimmste Hürde, vor der ich ernsthaft Angst hatte, war die neue Empfangsdame, die leider etwas übermotiviert war. Es muss an der Bunten gelegen haben, in der sie blätterte, dass sie nichts sagte.
    Bis auf diese Ausnahme waren es vor allem die Damen der Abteilung, die Waltraud

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