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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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überrascht. Es ging weder um einen Schwangerschaftstest noch um einen Geburtsvorbereitungskurs. Birgit brauchte mich für etwas anderes: als Lockvogel oder so etwas in der Art. So ganz verstand ich es nicht.
    Das wurde allerdings auch nicht besser, als wir uns zwei Tage später am Mittwochabend in der Amphore trafen. Die wenigen Plätze draußen auf dem Fußgängerweg vor dem Haus, von denen aus man direkten Hafenblick hatte, waren schon von in Wolldecken gewickelten Menschen besetzt. Das liebte ich so an Hamburg, denn mal ehrlich: Welcher Italiener oder Spanier würde auf die Idee kommen, sich bei diesen Temperaturen rauszusetzen? Tagsüber, klar, da hatten wir ja inzwischen auch mal siebzehn oder zwanzig Grad, aber nicht abends, bei gefühlten sechs Grad im Schatten.
    So gingen wir die Stufen runter ins Souterrain. Der relativ kleine Raum war erstaunlicherweise nicht besonders gut gefüllt. Es waren lediglich zwei Tische besetzt und ein Barhocker. Na, der Abend hatte ja auch gerade erst begonnen. Gleich rechts in der Ecke an dem großen Spiegel, der sich über die Hälfte der Wand zog, setzten wir uns an einen der quadratischen Holztische. So hatten wir zwar keinen Hafenblick, dafür aber einen 1A-Kontrollblick auf die Stuhl- und sonstigen Beine derjenigen, die draußen direkt vor der Fensterscheibe saßen, und hätten jederzeit aufspringen können, wenn etwas frei geworden wäre.
    »Sorry, Birgit. In Wahrheit habe ich noch nicht ganz verstanden, was der Plan ist.«
    »Der Plan ist ganz einfach: Du sollst Udo, den Freund meiner Cousine Juliane, zufälligerweise bei der ›Nacht der Nächte‹ auf dem Süllberg treffen, wo er zufälligerweise allein erscheinen wird, weil der Babysitter zufälligerweise kurzfristig abgesagt hat und Juliane daher zu Hause bleiben muss. Zufälligerweise wirst du an diesem Abend umwerfend aussehen und zufälligerweise allein kommen. Dann wirst du ihn an der Bar kennenlernen …«
    »Wie bitte schön soll das denn funktionieren? Weißt du eigentlich, wie viele Leute da hingehen? Ganz Hamburg!«
    »Meinetwegen kannst du ihn auch woanders treffen. Hauptsache, du triffst ihn. Ist doch egal, wo. Das ergibt sich schon. Dann werdet ihr kurz miteinander sprechen, euch im Laufe des Abends immer wieder über den Weg laufen, und wenn er dann allen, die er kennt und die ihn kennen, ›Hallo, wie schön, Sie wiederzusehen, ja, danke, bestens, Ihnen auch, wie wunderbar, ja, sicher sehen wir uns später noch einmal, tschüss!‹ gesagt hat und ihm die Interviewpartner langsam ausgehen, dann wirst du ihm zufälligerweise wieder über den Weg laufen und dich mit ihm unterhalten. Dann werdet ihr noch einmal an die Bar gehen, dort, wo alles begann, wovon er denken wird, es wäre zufällig. Du wirst dafür sorgen, dass er den Gedanken verwirft, mit dem Auto zurück in die Stadt zu fahren, und dann werdet ihr weitertrinken, euch darüber freuen, dass ihr euch getroffen habt …«
    »Stopp mal eben. Wann hast du dir dieses Drehbuch denn bitte ausgedacht? Woher willst du denn wissen, dass er überhaupt Lust hat, sich mit mir zu unterhalten?«
    »Glaub mir, ich kenne ihn. Also …« Birgit holte kurz Luft und fuhr fort. »Dann werdet ihr feststellen, wie viele Gemeinsamkeiten ihr habt und euch schließlich gemeinsam in ein Taxi setzen, weil ihr ja zufälligerweise fast den gleichen Weg habt.«
    »Birgit?«
    »Ja?«
    »Komm bitte mal auf den Punkt. Warum soll ich mit ihm in die Stadt fahren?«
    »Nun warte doch, ich bin ja gleich fertig.«
    Birgit meinte, ich könne doch auf der Rückbank des Taxis zufälligerweise so tollpatschig sein und meinen Lippenstift fallen lassen, am Boden suchen, er würde – wie er halt so sei – helfen wollen, und dann würden unsere Köpfe zusammenstoßen. Wir würden darüber lachen, angetrunken wie wir wären, würden uns dann tief in die Augen schauen, und ich würde ihn küssen. Nicht zufällig. So einfach sei das.
    Meinte Birgit.
    »Bitte? Ich soll einen wildfremden Mann einfach küssen? Ich weiß ja noch nicht einmal, wie er aussieht! Nachher ist das so ein …«
    »Keine Angst. Der wird dir gefallen. Ich schick dir ein Foto.«
    Wenn wir dann bei meiner Wohnung ankämen, würde Birgit uns auflauern und gegebenenfalls das alles entscheidende Foto schießen …
    Ich hätte gleich Nein sagen sollen, als sie mich bat, ihr einen extrem wichtigen Gefallen zu tun. Birgit drückte sich immer so aus, dass einem eigentlich nichts anderes übrigblieb, als Ja zu sagen. Sie war einfach

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