Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
Udo-Ulrich sah mich an und zog fragend die Schultern hoch.
Dann murmelte sie: »Ich hab’s gleich«, und zog ihr Handy raus.
»Ja?«, fragte sie in den Hörer.
»Bitte, was ?«
Stille.
Udo – ich meine natürlich Ulrich – und ich schauten uns kurz fragend an. Er zuckte die Achseln, ich tat es ihm nach.
»Nein. Du Arme. Natürlich. Ich komme gleich. Klar, kein Problem. Wozu hat man schließlich Freunde?«
Das fragte ich mich auch gerade.
Birgit beendete das Gespräch.
»Das ist doch nicht zu fassen. Ich zaubere einen super Plan aus der Kiste, engagiere dich als Unterstützung, verzichte auf einen schönen Abend, und jetzt das.«
»Was denn?«, fragte ich und gab zu verstehen, dass ich den Ovulationstest und die Tampons gern wieder loswerden würde. »Nun sag schon!«
»Was denn für ein Plan?«, fragte Ulrich, bekam aber keine Antwort. »Und was für ein Foto?«, fragte er weiter und sah mich an, als hätte er mich gerade als I.M. entlarvt.
Birgit ging nicht darauf ein, vermutlich hatte sie Angst um ihre gute Nachbarschaft.
»Juliane wollte es sich auf der Couch bequem machen, da entdeckte sie in der Ritze zwischen der Rückenlehne und dem Polster etwas, was da nichts zu suchen hatte: einen String! Und der gehörte nicht ihr!«
Udo hatte anscheinend schon seit Wochen ein Verhältnis mit der Babysitterin, wie er nach stundenlangen Vorwürfen und Diskussionen endlich zugab. Auf den Süllberg war er dementsprechend gar nicht gefahren. Stattdessen war er jetzt auf dem Weg ins nächste Hotel oder zum Babysitter. Jedenfalls hatte Juliane kurzen Prozess gemacht und ihn vor die Tür gesetzt.
»So sind wir halt«, grinste Ulrich komplizenhaft. »Immer auf der Suche nach Freiwild!«
Es schien fast so, als wäre er stolz auf Udo.
»Freiwild?!«, kam es zeitgleich aus Birgits und meinem Mund.
*
Die Vögel zwitscherten, ansonsten war es fast still. Ulrich hatte sich nach einer kurzen, heftigen Diskussion vom Acker gemacht. Ich hatte ihm vorgeschlagen, Udo bei sich aufzunehmen, dann würde der das Hotelzimmer sparen, und sie könnten noch ein bisschen ihre Freiwilderfahrungen austauschen.
Birgit dagegen war so entsetzt über die Freiwildansage, dass sie ausplauderte, was der eigentliche Plan gewesen war. Daraufhin war Ulrich so entsetzt, dass er leicht eingeschnappt ging. Irgendetwas mit »Frauen …!« hörten wir ihn noch fluchen, dann waren wir allein – wir Frauen. Offenbar fühlte er sich etwas ausgenutzt, was ich ihm nicht verübeln konnte. Am liebsten wäre ich hinterhergelaufen, aber da schaltete sich mein Verstand plötzlich ein und gab Birgit recht. Seinen Spruch hätte er sich echt sparen können, zumindest bis nach dem Frühstück.
Vielleicht war es auch besser so.
»Was für ein Wahnsinnsabend. Ich hab Ole mit einer anderen Frau gesehen, habe der Hamburger High Society gezeigt, wie man es schafft, innerhalb kürzester Zeit die Schuhe des Tanzpartners zu ruinieren, nachdem man die eigenen ins Abtretgitter manövriert hat. Und ich habe bewiesen, dass es Sinn macht, noch einmal in den Spiegel zu schauen, bevor man die Wohnung verlässt und sich auf den Weg macht. Zum krönenden Abschluss habe ich den falschen Mann angebaggert, aber: Ich hatte Spaß! In den letzten sechs Stunden zumindest mehr als in den letzten sechs Monaten. Da kann man ja schon von Erfolg sprechen.«
»Guck«, lachte Birgit, »wusste ich es doch.« Wir hielten uns die Bäuche vor Lachen.
Dann umarmte sie mich kurz und verschwand – zu Juliane. Ich saß noch ein paar Minuten auf der Stufe vor meinem Hauseingang. Auf der Bernadottestraße fuhr ein Auto viel zu schnell, die Sonne ging irgendwo hinterm Fischers Park auf und wies sanft darauf hin, dass in diesem Moment ein neuer Tag begann. Ein warmer Frühlingstag, von dem ich vermutlich nicht viel sehen würde außer meiner Decke und meinem Kissen.
*
Ein Sonntag. Und wie vermutet schien tatsächlich die Sonne. Kein Wölkchen, nichts. Alles blau und hell. Leider, denn mein Kopf drohte zu platzen. Drei Aspirin hatte ich schon genommen, aber sie befreiten mich nicht von dem Schmerz, noch verhalfen sie mir zu der Erinnerung, wann ich ins Bett gegangen war . Jetzt war es halb eins, und Waltraud jaulte inzwischen nicht mehr in Intervallen, sondern am Stück. Sie wollte raus, und das war ja auch ihr gutes Recht.
Hätte sie nicht so an der Leine gezogen, wäre ich vermutlich einfach irgendwo stehen geblieben und im Stehen wieder eingeschlafen. Ganz einfach. Das konnte ich schon
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