Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
wie man die Hüften schwingt, mitten in Dänemark. Männern, die vermutlich noch nicht einmal das richtige Taktgefühl für ihren Traktor haben. Du kennst sie ja. Steht einfach auf, spricht irgendwen an, anstatt wie angekündigt aufs Klo zu gehen, schiebt im nächsten Moment Stühle und Tische beiseite und behauptet auch noch, es hätte den Männern gefallen. Ach ne.«
Den Frauen allerdings weniger …
Apropos Männer. Da gab es ja noch etwas, was ich noch nicht erzählt hatte.
»Na ja, etwas Gutes hatte der Urlaub aber auch.«
Hanne stellte sofort ihr Glas ab, setzte sich kerzengerade hin, als würde ich die Lottozahlen ansagen, und wartete auf das, was ich verkünden würde.
»Lass mich raten. Du hast jemanden kennengelernt?«
»Wie kommst du denn darauf?« Ich tat völlig überrascht.
»Weil du schon die ganze Zeit grinst, als hättest du im Wald Pilze gefunden und dir in den Mund gesteckt.«
Ich grinste also. War mir gar nicht aufgefallen.
»Erzähl mal. Wie heißt er? Was macht er?«
»Er heißt Michael Möller, wohnt in Hannover, hat Schuhgröße 43 und kann ziemlich gut küssen. Und kochen – zumindest behauptet er das.«
»Und?«, bohrte sie weiter.
»Was? Und?«
»Charly, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Das ist ja nicht zum Aushalten!«
»Was willst du denn hören?«
»Alles!«
Also erzählte ich alles. Von Michael Möller, dem Geschenkezurückbringer und Weihnachtsfestretter. Von seinem ersten Anruf, Silvester, als ich schon gar nicht mehr daran geglaubt hatte, dass er sich melden würde. Von meiner Mutter, die sich am liebsten auf meinen Schoß gesetzt hätte, um alles mithören zu können, und wie ich mich schließlich in den einzigen Raum zurückgezogen hatte, in dem ich wirklich ungestört war: die Sauna – die natürlich nicht an war. Wie ich eineinhalb Stunden auf der harten Holzbank gesessen hatte, während meine Mutter draußen vorm Haus mit ihren Böllern beinahe für eine Katastrophe gesorgt hätte.
Ich erzählte vom nächsten Morgen, Neujahr, als er plötzlich mit Brötchen vor der Tür stand. Er hatte sich von seinem Schwager den Wagen geliehen, ihr Ferienhaus lag ja nur eine knappe Stunde von uns entfernt. Ich erzählte von unserem Strandspaziergang in der Eiseskälte und von dem Moment, als er wieder wegfuhr und wir uns umarmten und er mich küsste. Mit Eiszapfen an den Lippen, zumindest fühlte es sich so an. Mir war so kalt, dass ich die ganze Zeit Angst hatte, ihm auf die Zunge zu beißen oder gleich die Zähne auszuschlagen, weil ich weder meine Hände spürte, noch irgendein Gefühlsnerv in der Kopfregion funktionierte, von den Füßen mal ganz abgesehen. Dafür spürte ich etwas, was schon lange nicht mehr da war: Herzklopfen.
Und ich erzählte Hanne von seinen SMS und seinen Fotos, die er mir per iPhone schickte, auf denen ich sehen konnte, wo er gerade war oder was er machte. Und von der Frage, die er mit einem Stock in den Schnee geschrieben hatte: Wann sehe ich dich wieder?
»Und?«, fragte Hanne und sah dabei aus, als hätte ich ihr gerade aus einem Roman vorgelesen und das Ende vorenthalten. »Wann seht ihr euch wieder?«
»In zwei Wochen«, grinste ich. »Bis dahin werde ich vermutlich einen Präsentekorb von der Telekom erhalten, als beste Kundin. Meine Telefonrechnung ist inzwischen höher als die Ausgaben für Schuhe, und das will schon was heißen. Vielleicht sollte ich einfach mal den Anbieter wechseln. Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass es mit ihm was werden könnte.«
Hanne erwachte langsam aus ihrem Trancezustand und mutierte wieder zu der besorgten Mutter.
»Und was macht er so?«
» Er arbeitet in einem Feinkostgeschäft und ist da für den Vertrieb zuständig. Also beste Kontakte zu Champagner und belgischer Schokolade. Der perfekte Mann.«
»Versteh mich nicht falsch, ich finde, du hast wirklich mal einen ordentlichen Typen verdient, aber …«
»Ja?«
»Ich meine nur, ich … möchte nicht, dass du nachher vielleicht wieder enttäuscht bist. Woher willst du wissen, dass dein Gefühl stimmt? Ihr hattet eine gemeinsame Zugfahrt und Zeit für zwei schlechte Kaffee in einem mehr als unromantischen Bistro – in Anwesenheit deiner Mutter – und einen Spaziergang bei minus elf Grad. Na ja, gut, und einen Kuss.«
»Intuition.« Ich überlegte. Musste man denn immer alles begründen können?
»Aha.«
Hanne hielt nicht viel von Wörtern wie Intuition. Alles Übersinnliche war nichts für sie. Es sei denn, es handelte sich
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