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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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damit es ihnen gut ginge. Etwas anderes kümmerte den Mops nicht. Man sollte sie bespielen, kraulen, für sie da sein, und das Leben hatte ihnen bitte zu gefallen. Der Rest war sekundär, fand der Mops.
    Dagegen war Waltraud wahrlich ein leichter Fall. Obwohl ich zuerst ein wenig beleidigt war, was Michas Autorität anbetraf. Schließlich pfiff ich ja wohl genauso in die Pfeife, wie er es tat. Letztendlich war ich aber doch froh, dass sie ihn als neuen Rudelführer ansah und es vorzog, ihm abends die Leine vor die Füße zu legen und nicht mehr mir. Vor allem wenn es mal wieder regnete.
    Micha kam von Februar bis April jedes Wochenende aus Hannover und lud mir den Kühlschrank voll. Mein Angebot, auch einmal zu ihm zu fahren, lehnte er kategorisch ab, was mich zuerst misstrauisch machte. Doch er meinte, Hamburg sei einfach die schönere Stadt und meine Wohnung auf alle Fälle der bessere Ort für ein paar Tage zu zweit beziehungsweise zu dritt.
    »Du willst ja nur nicht, dass deine Frau und die Kinder von uns Wind bekommen«, alberte ich einmal und kniff ihm dabei in die Seite.
    Da wurde er plötzlich ganz ernst, nahm meinen Kopf in seine Hände und sagte: »Es gibt nur eine Frau – und das bist du.«
    Dann küsste er mich.
    Wäre in dem Moment ein Regisseur aus meinem Kleiderschrank geschlüpft und hätte gesagt: »Okay, die Szene ist im Kasten!«, hätte ich mich nicht gewundert. Stattdessen wunderte ich mich über das, was hier los war, oder besser: über mich. Ich saß mitten in einem Liebesfilm und hatte auch noch die Hauptrolle. Konnte das sein?
    Und der Film blieb ein Liebesfilm. Auch nach knapp drei Monaten. Keine Toten, keine Verletzten. Keine Unterbrechungen außer an den Wochentagen bis zum nächsten Freitagabend, an dem er wieder vor der Tür stand.
    Durch den ganzen Liebesdusel hatte ich tatsächlich meine Freundinnen aus dem Blick verloren. Ich war wie von Sinnen, und die Mädels bekamen mich in der ganzen Zeit von Ende Januar bis Ende April kaum zu Gesicht. Allerdings sei zu meiner Verteidigung gesagt, dass sie auch alle mit sich selbst beschäftigt waren.
    Als ich eines Abends Mitte April alleine auf dem Sofa saß und darüber nachdachte, wie schnell sich alles geändert und wie ich hier im letzten November noch gesessen und mir selbst leidgetan hatte, konnte ich es gar nicht fassen, wie gut es mir nun ging. Was für ein Glück, dass ich nach Dänemark gefahren war! Sonst würde ich hier immer noch mit Waltraud mein tristes WG-Leben führen und das Leben der anderen beobachten. Die anderen!
    Mich überkam schlagartig der Wunsch, etwas gegen mein schlechtes Gewissen zu tun. Ich rief erst Ilka an, dann Hanne, dann meine Mutter und schließlich – nach zweieinhalb Stunden Telefonitis – auch noch Birgit.
    Ich verspürte plötzlich den dringenden Wunsch nach Harmonie. Ich wollte diesem albernen Quatsch endlich ein Ende setzen und mich wieder mit ihr versöhnen. Erst hatte ich noch überlegt, die Nummer zu unterdrücken, aber das kam mir etwas übertrieben vor, also tat ich es dann nicht und tatsächlich: Sie ging ran.
    »Na? Redest du wieder mit mir?«, fragte ich.
    »Wieso sollte ich das denn nicht tun? Ich … ich weiß auch nicht. Kann sein, dass ich etwas überreagiert habe. Ja, das ist wohl so. Ich weiß ja eigentlich, dass es nicht dein Lieblingsthema ist. Zumal du ja auch keinen Freund hast, was sollen dich da Kinder interessieren, beziehungsweise das Kinderkriegen … Ich kann das verstehen. Tut mir leid. Echt.«
    Sie freute sich darüber, meine Stimme zu hören, das merkte ich.
    »Das muss es nicht. War wohl von uns beiden etwas übers Ziel hinausgeschossen. Ich würde dich jedenfalls gern mal wiedersehen.«
    »Ich dich auch. Echt. Ich bin schon richtig auf Entzug!«
    »Ach und übrigens: Es stimmt nicht, was du eben gesagt hast.«
    »Was?«
    »Dass ich keinen Freund habe. Ich habe einen«, sagte ich und freute mich, als hätte ich bei der »Aktion Mensch« das Traumhaus gewonnen. Ich glaube, ich hatte es noch nie so ausgesprochen. Es klang klasse.
    »Du hast einen Freund?«
    Das klang weniger gut.
    »Ja. Ich. Hab tatsächlich noch einen Deckel für’n Topf gefunden. Kurz vor dem Räumungsverkauf sozusagen.«
    Birgit lachte. »Super! Seit wann denn?«
    Ich erzählte von meinem Sommer auf dem Balkon, von Ilkas Sturzgeburt und meinem olympiareifen Einsatz, von Weihnachten in Dänemark, von Micha, von Waltraud, die plötzlich gehorchte, von meinem Kühlschrank, der platzte, von dem Kaffee, den

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