Kein Kinderspiel
könnte einen Tee machen, hm?«
»Das wäre toll, Mrs. McCready.«
Während Matt malte, tranken wir Tee, und Ryerson stellte Beatrice eine Reihe von Fragen, die längst beantwortet waren: über die Nacht, in der Amanda verschwand, über Helenes Muttergefühle, über die erste, verrückte Zeit nach Amandas Verschwinden, als Beatrice die Suche nach der Kleinen organisiert, Kontakte zu den Medien hergestellt und die Straßen mit dem Bild ihrer Nichte vollgeklebt hatte.
Hin und wieder zeigte uns Matt, welche Fortschritte sein Bild machte, die Wolkenkratzer mit den schiefen Reihen viereckiger Fenster, die Wolken und Hunde, die er hinzugefügt hatte.
Ich bedauerte, hergekommen zu sein. Ich war ein Spion in diesem Haus, ein Verräter, der hoffte, Beweise zu sammeln, die Beatrices Mann und Matts Vater ins Gefängnis bringen würden. Bevor wir gingen, bat Matt Angie, auf ihrem Gips unterschreiben zu dürfen. Als sie es ihm erlaubte, leuchteten seine Augen auf, und er brauchte noch einmal eine halbe Minute, um den richtigen Stift zu finden. Als er sich neben sie kniete und seinen Namen sorgfältig auf den Gips schrieb, spürte ich einen Schmerz hinter den Augen, und die Melancholie saß mir wie ein Felsblock auf der Brust. Ich stellte mir vor, was aus dem Leben des Kindes würde, wenn wir recht hatten, was seinen Vater betraf, wenn das Gesetz sich einmischte und diese Familie auseinanderriß.
Doch blieb mein Unrechtsbewußtsein stark genug, um selbst diese Scham zu ertränken.
Wo war Amanda?
Verdammt noch mal. Wo war sie bloß?
Nachdem wir gegangen waren, blieben wir vor Ryersons Wagen stehen. Er wickelte das Zellophan von einer seiner dünnen Zigarren und kappte die Spitze mit einem Cutter aus Sterlingsilber. Beim Anzünden sah er zurück zum Haus.
»Ist eine nette Frau.«
»Ja, stimmt.«
»Toller Junge.«
»Ja, er ist ein toller Junge«, stimmte ich zu.
»So eine Scheiße«, sagte er und sog an der Zigarre, während er sie anzündete.
»Genau.«
»Ich hab’ vor, Ted Kenneallys Laden auszukundschaften. Wie weit ist der weg von hier, so ungefähr eine Meile?«
»Eher drei«, berichtigte Angie.
»Scheiße, ich hab sie nicht nach der Adresse gefragt.«
»Es gibt nur ein paar Antikläden in Southie«, sagte ich. »Der von Kenneally ist am Broadway, genau gegenüber von einem Restaurant namens Amrheins.«
Er nickte. »Wollt ihr mitkommen? Ist für euch beide jetzt möglicherweise sicherer, wo Broussard unterwegs ist.«
»Ja«, sagte Angie.
Ryerson sah mich an. »Mr. Kenzie?«
Ich blickte zum Haus der McCreadys zurück, sah die hellerleuchteten Wohnzimmerfenster, dachte an die Bewohner hinter diesen Fenstern und an den Tornado, der, ohne daß sie es merkten, ihr Leben umkreiste und an Stärke zunahm und immer heftiger wirbelte.
»Ich treffe euch später.«
Angie sah mich komisch an. »Was ist?«
»Ich treffe euch später«, sagte ich. »Ich muß noch was erledigen.«
»Was denn?«
»Nichts Wichtiges.« Ich legte die Hände auf ihre Schultern. »Ich treffe euch später. Okay? Bitte. Laß mich einfach machen.«
Nach einem langen Blick in meine Augen nickte sie. Es gefiel ihr nicht, aber sie brachte für meine Sturheit genauso viel Verständnis auf wie für ihre eigene. Und sie wußte, daß es manchmal sinnlos war, mit mir zu streiten, so wie ich das auch bei ihr wußte.
»Machen Sie keinen Blödsinn«, mahnte Ryerson.
»Aber nein«, erwiderte ich, »ich doch nicht.«
Es war ein kühner Versuch, aber er ging auf.
Um zwei Uhr morgens verließen Broussard, Pasquale und noch ein paar Mitglieder der Footballmannschaft der DoRights das Boyne. An der Art, wie sie sich auf dem Parkplatz voneinander verabschiedeten, konnte ich ablesen, daß sie von Pooles Tod gehört hatten. Ihr Schmerz war echt. Bullen nehmen sich nicht in den Arm, das ist ein ungeschriebenes Gesetz, es sei denn, einen von ihnen hat es erwischt.
Pasquale und Broussard unterhielten sich noch eine Weile auf dem Parkplatz, nachdem die anderen gefahren waren, dann umarmte Pasquale Broussard zum letzten Mal und schlug dem großen Mann auf die Schultern. Schließlich trennten sie sich.
Pasquale fuhr in einem Bronco fort, und Broussard ging mit den vorsichtigen, gehemmten Schritten eines Betrunkenen zu seinem Volvo Kombi und fuhr in östliche Richtung auf die Western Avenue. Ich ließ mich auf der fast leeren Straße ein Stück zurückfallen und hätte ihn fast verloren, als seine Rücklichter am Charles verschwanden.
Ich gab Gas, weil er an dem
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