Kein Kinderspiel
sie wissen, daß der Barkeeper früher mal Bulle war. Gibt’s ‘ne Menge Geschichten zu erzählen.«
»Lieutenant«, entgegnete Poole, »bei allem Respekt, aber wir würden unsere Jobs gerne behalten.«
»Das glaube ich gerne.« Doyle schrieb wieder etwas in das Notizbuch. »Daran hätten Sie besser gedacht, bevor Sie Beweisstücke in einem Mordfall veruntreuten. Das ist ein Schwerverbrechen, Gentlemen.« Er griff zum Hörer, drückte auf zwei Tasten und wartete. »Michael, gib mir doch bitte die Namen der zuständigen Ermittler im Mordfall David Martin/Kimmie Niehaus. Ich warte.« Er klemmte sich den Hörer zwischen Kinn und Schulter, pochte mit dem Radiergummi auf den Schreibtisch und pfiff leise durch die Zähne. Dann erklang eine blecherne Stimme im Hörer, und er beugte sich vor. »Ja. Hab’ ich.« Er schrieb etwas nieder und legte auf. »Das sind Daniel Guden und Mark Leonhard. Kennt ihr die?«
»Flüchtig«, antwortete Broussard.
»Dann kann ich also davon ausgehen, daß Sie versäumt haben, ihnen mitzuteilen, was Sie im Hinterhof der Opfer gefunden haben?«
»Ja, Sir.«
»Ja, Sir, Sie haben es ihnen mitgeteilt? Oder: Ja, Sir, Sie haben es versäumt?«
»Letzteres«, gab Poole zu.
Doyle faltete die Hände hinter seinem Kopf und lehnte sich wieder im Stuhl zurück. »Jetzt erzählt ihr mir die Geschichte, Gentlemen, und nur, wenn es nicht genauso übel riecht, wie es im Moment den Anschein hat, dann habt ihr eure Jobs nächste Woche vielleicht noch - aber nur vielleicht. Aber eins verspreche ich euch: Ihr bleibt nicht bei der EGK. Wenn ich verfluchte Cowboys brauche, guck ich mir Rio Bravo an.«
Poole erzählte ihm alles. Er begann damit, daß Angie und ich Chris Mullen auf unseren Videos mit den Nachrichten erkannt hatten. Das einzige, was er ausließ, war die Lösegeldforderung, die er in Kimmies Unterwäsche gefunden hatte. Doch als ich mir das Band mit Lionels Telefongespräch noch einmal durch den Kopf gehen ließ, wurde mir klar, daß es außer diesem Zettel keinen wasserdichten Beweis dafür gab, daß die Anruferin Geld für ein Kind verlangte. Kein Beweis für eine Kindesentführung - kein FBI.
»Wo ist das Geld?« fragte Doyle, als Poole geendet hatte.
»Das habe ich«, antwortete ich.
»Ja klar, natürlich«, sagte er, ohne mich anzusehen. »Das ist ja klasse, Sergeant Poole. Zweihunderttausend Dollar in gestohlenen Scheinen - gestohlenes Beweismaterial, darf ich hinzufügen - in den Händen eines Privatmannes, dessen Name im Laufe der Jahre im Zusammenhang mit drei ungeklärten Mordfällen und - so sagen manche - mit dem Verschwinden von Jack Rouse und Kevin Hurlihy in Verbindung gebracht wurde.«
»Das bin ich nicht«, widersprach ich. »Da verwechseln Sie mich bestimmt mit diesem anderen Patrick Kenzie.«
Angie trat mir gegen den Knöchel.
»Pat«, sagte Doyle und beugte sich vor.
»Patrick«, korrigierte ich ihn.
»‘tschuldigung. Patrick, ich lasse Sie festnageln wegen Annahme von Hehlerware, Behinderung der Justiz, Einmischung in die Untersuchung eines Kapitalverbrechens und Unterschlagung von Beweisen in ebendieser Ermittlung. Wollen Sie mir vielleicht noch weiter auf die Eier gehen, damit ich Sie so richtig auf dem Kieker habe und noch ein bißchen mehr herumgrabe?«
Ich rutschte nervös auf dem Stuhl herum.
»Wie bitte?« fragte Doyle. »Ich habe Sie nicht verstanden. «
»Nein«, antwortete ich.
Er hielt sich die Hand hinters Ohr. »Wie bitte?«
»Nein, Sir«, sagte ich.
Er grinste und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Sehr gut, mein Sohn. Red nur, wenn du gefragt wirst. Ansonsten bleibt die Klappe zu.« Er nickte Angie zu. »So wie Ihre Kollegin. Hab schon gehört, daß Sie den Grips haben, Ma’am. Scheint sich hier zu bewahrheiten.« Er wandte sich wieder Poole und Broussard zu. »Ihr beiden Leuchten habt also beschlossen, in einer Liga mit Cheese Olamon zu spielen und Geld gegen Kind zu tauschen.«
»So ungefähr, Sir.«
»Und aus welchem Grund sollte ich den Fall nicht ans FBI übergeben?« Er streckte die Hände aus.
»Weil es noch keine offizielle Lösegeldforderung gibt«, erklärte Broussard.
Doyle warf einen Blick auf den Rekorder. »Und was haben wir da gerade gehört?«
»Also, Sir.« Poole beugte sich über den Tisch und zeigte auf das Gerät. »Wenn Sie sich das noch mal anhören, dann merken Sie, daß die Frau nur sagt, sie wolle >etwas< aus Charlestown gegen >etwas< aus Dorchester eintauschen. Die Frau könnte dabei auch von Biefmarken und
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