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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Höhe und konnte die Kufen der Maschine ergreifen, die nun mit dem Bug zum Wasser über ihm schwebte. Broussard strampelte mit den Beinen, ein paarmal schien er fast in die Tiefe zu fallen, doch schließlich wurde er in die Kabine gezogen.
    Der Helikopter auf meiner Seite kam geradewegs auf mich zu. Fast schon zu spät merkte ich, daß er zu landen versuchte. Ich griff nach meinen Schuhen und der Jacke und wollte das Felsgesims nach links verlassen. Die vordere Spitze der Kufen neigte sich dem Boden zu, wurde dann aber wieder hochgerissen, und der Hubschrauber drehte den Heckrotor nach links.
    Dann kehrte er mit leicht erhöhter Drehzahl zurück, so daß der Druck von den Blättern stark genug war, mich von den Beinen zu reißen. Das Heulen der Turbine bohrte sich wie eine Spitzhacke in mein Trommelfell.
    Ich rappelte mich auf, der Hubschrauber prallte einmal, zweimal vom glatten Untergrund ab. Ich konnte sehen, wie der Pilot im Cockpit mit verkniffenem Gesicht um die Landung kämpfte. Die Nase senkte sich, das Heck hob sich, und eine Sekunde lang dachte ich, die Rotorblätter würden gegen die Gesteinsbrocken schlagen, die sich zwischen den Klippen und der Baumreihe befanden.
    Ein Bulle mit schwarzem Helm und dunkelblauem Overall sprang aus der Kabine und lief mit gesenktem Kopf und Oberkörper auf mich zu.
    »Kenzie?« rief er.
    Ich nickte.
    »Los, kommen Sie!« Er packte mich am Arm und drückte meinen Kopf herunter, während sich der andere Hubschrauber in Richtung der Böschung entfernte, wo wir Poole zurückgelassen hatten. Er würde dort nie und nimmer aufsetzen können, das war mir klar. Die Stelle war zu dicht bewachsen, bot keinen Landeplatz. Die einzige Chance, Poole zu bergen, bestand darin, einen Mann mit einem Korb herunterzulassen und Poole darin hochzuziehen.
    Der Bulle schob mich in die Kabine. Über unseren Köpfen schlugen die Rotorblätter weiter, und sobald ich mich im Cockpit befand, stieg der Hubschrauber auf und ließ sich über den Rand der Klippe fallen.
    Unter uns konnte ich Angie sehen. Wir näherten uns ihr. Sie hatte Amandas Puppe in der Hand und tauchte wieder unter. Als der Hubschrauber über die Wasseroberfläche glitt, begann das Wasser zu brodeln.
    »Zieht ihn hoch!« schrie ich.
    Der Kopilot drehte sich zu mir um.
    Ich zeigte mit dem Daumen nach oben. »Ihr bringt sie um! Geht nach oben!«
    Der Kopilot stieß den Piloten an, der daraufhin am Steuerknüppel zog. Mein Magen rutschte mir in die Hose, als der Hubschrauber in Schräglage ging und sich einer mit Graffiti bemalten Steinwand näherte. Dann stiegen wir auf, drehten eine Runde und warteten in ungefähr zehn Metern Höhe über der Stelle, wo wir Angie zum letzten Mal gesehen hatten.
    Sie tauchte auf und ruderte mit den Armen gegen die Wasserwirbel an. Sie spuckte Wasser aus und legte sich auf den Rücken.
    »Was macht sie da?« fragte der Beamte neben mir.
    »Sie schwimmt an Land«, antwortete ich, und unter uns kraulte Angie auf dem Rücken auf die Felswand zu. Die Puppe in ihrer linken Hand machte die windmühlenartigen Bewegungen mit.
    Der Bulle nickte. Sein Gewehr zeigte auf die Baumreihe.
    Angies High-School hatte keine Schwimmannschaft besessen. Deshalb bewarb sie sich bei den Girls Clubs of America, wo sie mit sechzehn bei einem Landeswettbewerb die Silbermedaille gewann. Trotz des jahrelangen Rauchens hatte sie noch immer einen kräftigen Schlag. Ihr Körper schnitt durch das Wasser, wirbelte es kaum auf. Sie verursachte so wenig Wellen, daß sie ein Aal hätte sein können, der sich aufs Ufer zubewegte.
    »Sie wird zu Fuß zurücklaufen müssen«, rief der Kopilot. »Da unten können wir nicht landen.«
    Angie erahnte eine zerklüftete Gesteinsspitze hinter sich, bevor sie damit zusammenstieß. Sie drehte sich auf den Bauch und glitt die verbleibenden Meter zu den Steinen hinüber, legte die Puppe vorsichtig in eine Felsspalte und hievte sich aus dem Wasser.
    Der Pilot senkte den Hubschrauber ab und sprach durch ein Megaphon, das über den Scheinwerfern angebracht war: »Miss Gennaro, wir können Sie hier nicht aufnehmen. Die Wände sind zu nah, es gibt keine Landefläche.«
    Angie nickte und winkte müde. Im harschen Licht des Scheinwerfers wirkte ihr Körper kalkweiß. Das lange, schwarze Haar klebte ihr in Strähnen auf den Wangen.
    »Direkt hinter den Felsen«, rief der Pilot über den Lautsprecher, »ist ein Weg. Folgen Sie ihm und halten Sie sich links. Dann gelangen Sie auf den Ricciuti Drive. Dort wartet

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