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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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genau. Aus irgendeinem Grund bin ich den Hügel hinuntergegangen. Das Problem war, daß ich mein Walkie-talkie und die Taschenlampe vergessen hatte.« Er hob die Augenbrauen. »Helle, was? Und als ich die ganzen Schüsse hörte, hab’ ich versucht, wieder dahin zurückzulaufen, wo ich hergekommen war. Aber wie ich es auch anstellte, ich hatte immer das Gefühl, mich weiter von dem Lärm zu entfernen. Die ganzen Bäume«, erklärte er mit einem Kopfschütteln. »Dann weiß ich noch, daß ich an der Ecke stehe, wo die Abfahrt der Schnellstraße auf die Quarry Street trifft, und plötzlich rast der Lexus an mir vorbei. Ich laufe hinterher. Als ich da ankomme, haben unsere Freunde schon das Loch im Kopf, und mir war irgendwie schwindelig.«
    »Weißt du noch, daß du es gemeldet hast?« fragte Broussard.
    »Wirklich?«
    Broussard nickte. »Über das Autotelefon.«
    »Wow«, staunte Poole. »Ganz schön gut drauf, was?«
    Angie grinste und nahm ein Tuch von dem Wägelchen neben Pooles Bett, mit dem sie ihm die Stirn abwischte.
    »Junge, Junge«, sagte Poole mit schwerer Zunge.
    »Was denn?«
    Kurz verschwamm ihm der Blick, dann konzentrierte er sich wieder. »Ha? Schon gut, aber diese Medikamente hauen mich um. Ist schwer, sich zu konzentrieren.«
    Die Oberschwester blickte durch den Vorhang. »Sie müssen jetzt bitte gehen.«
    »Was ist da oben passiert?« murmelte Poole.
    »Jetzt bitte«, wiederholte die Schwester. Pooles Pupillen rollten nach links, er schmatzte leicht und schlug mit den Augenlidern. »Mr. Raftopoulos hältdas noch nichtdurch.«
    »Nein«, widersprach Poole. »Wartet!«
    Broussard tätschelte ihm den Arm. »Wir kommen wieder, Kumpel. Mach dir keine Sorgen.«
    »Was ist passiert?« wiederholte Poole und schlief dabei ein. Wir traten vom Bett zurück.
    Gute Frage, dachte ich, als wir die Intensivstation verließen.
    Als wir wieder in unserer Wohnung waren, nahm Angie eine heiße Dusche, und ich rief Bubba an.
    »Was?« meldete er sich.
    »Sag mir, daß du sie hast.«
    »Was? Patrick?«
    »Sag mir, daß du Amanda McCready hast.«
    »Nein. Wieso? Wieso soll ich sie haben?«
    »Du hast Gutierrez und Mullen erledigt und…«
    »Nein, hab’ ich nicht.«
    »Bubba«, sagte ich, »sicher hast du das. Mußtest du doch.«
    »Gutierrez und Mullen? Ganz bestimmt nicht, Kumpel. Ich habe zwei Stunden lang mit dem Gesicht in der Scheiße im Cunningham Park gelegen.« »Du bist nicht mal dagewesen?«
    »Ich bin zu Boden geschlagen worden. Irgend jemand hat da gewartet, Patrick. Ich hab’ einen Schlag mit einem Vorschlaghammer oder so auf den Hinterkopf gekriegt, bin voll umgekippt. Ich bin nicht mal aus dem Park rausgekommen.«
    »Gut«, sagte ich. Mein Kopf fühlte sich an, als schwämme das Gehirn in Öl. »Noch mal, aber langsam. Du bist in den Cunningham Park gegangen…«
    »So gegen halb sieben. Ich hab’ mir meine Utensilien genommen und bin durch den Park zu den Bäumen gegangen. Gerade will ich an den Bäumen vorbei in Richtung Hügel, als ich etwas höre. Ich will mich gerade umdrehen, da bekomme ich - krach - einen auf den Hinterkopf. Was mich, weißt du ja, sowieso schon ärgert, aber ich konnte auch nichts mehr sehen, ich bin ausgewichen, hab’ mich umgedreht, und dann noch mal - krach. Ich knicke mit einem Bein ein, bekomme den dritten Schlag. Vielleicht hab’ ich auch noch einen vierten kassiert, aber ich weiß nur noch, daß ich in einer Blutlache aufgewacht bin, da war es halb neun. Als ich wieder in die Büsche gehen will, ist alles voller Staties. Da bin ich abgehauen und zum Kicherdoc gegangen.«
    Der Kicherdoc war ein ätherschnüffelnder Arzt, den Bubba und die Hälfte der Mafiosi in der ganzen Stadt konsultierten, wenn sie Verletzungen hatten, die nicht offiziell werden durften. »Wie geht’s dir jetzt?« fragte ich. »In meinem Kopf klingelt es die ganze Zeit, und zwischendurch wird alles schwarz, und dann läuft es wieder. Aber ich schätze, das geht in Ordnung. Ich will dieses Arschloch haben, Patrick. Mich schlägt keiner um, verstehst du?«
    Ich verstand. Von all den Dingen, die ich in den letzten zehn Stunden gehört hatte, deprimierte mich dies am meisten. Jemand, der so schnell und geschickt war, daß er Bubba ausschalten konnte, mußte hervorragend sein.
    Und noch etwas: Wenn man schon so mit Bubba umsprang, warum hatte man ihn dann am Leben gelassen? Die Entführer hatten Mullen und Gutierrez umgebracht und versucht, Broussard, Angie und mich zu töten. Warum hatten sie nicht

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