Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
schreie ich in meiner Verzweiflung, als die Ansage abrupt endet.
Okay. Hätte ich geahnt, dass das passiert, hätte ich selbstverständlich nicht so laut gesprochen. Und selbstverständlich hätte ich das unflätige Wort nicht benutzt. Also kann die Mutter, die mit ihren Kindern drei Reihen weiter sitzt, aufhören, mir böse Blicke zuzuwerfen, als würde ich ihre Blagen verderben.
»Aber wirklich!«, fahre ich wütend fort. »Sie können Willow nicht einfach ausblenden und glauben, dass sie von allein geht. Sie können sie nicht ewig wegdrücken. Sie wird nicht verschwinden, Sam. Glauben Sie mir. Sie müssen mit ihr sprechen und ihr erklären, wie die Lage ist und was alles falsch läuft und …«
»Okay, es reicht.« Sam klingt genervt. »Wenn sie sinnlose Mails schicken möchte, soll sie mir sinnlose Mails schicken. Es stört mich nicht.«
»Aber es ist Gift! Es ist schlecht! Es sollte nicht passieren!«
»Sie wissen doch gar nichts darüber«, fährt er mich an. Ich glaube, ich habe einen Nerv getroffen.
Und außerdem ist das ja wohl ein Witz. Ich weiß gar nichts darüber?
»Ich weiß alles darüber!«, halte ich dagegen. »Schließlich habe ich mich um Ihre eingehenden Nachrichten gekümmert, wissen Sie noch? Mister Keine-Antwort-ist-auch-eine-Antwort.«
Sam funkelt mich an. »Nur weil ich nicht auf jede E-Mail mit fünfundsechzig gottverdammten Smileys antworte …«
Das wird er nicht gegen mich verwenden. Was ist besser: Smileys oder ignorieren?
»Aber Sie antworten ja niemandem «, fauche ich. »Nicht mal Ihrem eigenen Dad!«
»Was?« Er klingt schockiert. »Was zum Teufel reden Sie da?«
»Ich habe seine Mail gelesen«, sage ich trotzig. »Dass er mit Ihnen reden möchte und sich wünscht, Sie würden ihn in Hampshire besuchen kommen. Er meinte, Sie beide hätten seit Ewigkeiten nicht miteinander gesprochen, und er vermisst die alten Zeiten. Aber Sie haben nicht mal darauf reagiert . Sie sind herzlos.«
Vor lauter Lachen wirft Sam seinen Kopf in den Nacken.
»Ach, Poppy. Sie wissen wirklich nicht, wovon Sie reden.«
»Ich glaube doch.«
»Ich glaube nicht.«
»Ich glaube, Sie werden feststellen, dass ich etwas mehr Einblick in Ihr eigenes Leben habe als Sie.«
Rebellisch starre ich ihn an. Jetzt hoffe ich, dass Sams Dad meine Mail doch bekommen hat. Mal sehen, was passiert, wenn Sam im Chiddingford Hotel ankommt und dort auf seinen Vater trifft, frisch herausgeputzt und voller Hoffnung, mit einer Rose im Knopfloch. Dann ist er vielleicht nicht mehr ganz so leichtfertig.
Sam hat unser Handy genommen und liest die SMS noch mal.
»Ich bin nicht verlobt«, sagt er mit gerunzelter Stirn. »Ich habe keine Verlobte.«
»Ja, das habe ich begriffen, danke«, sage ich sarkastisch. »Sie haben nur eine psychotische Ex, die glaubt, sie wären immer noch zusammen, obwohl sie sich schon vor zwei Monaten getrennt haben …«
»Nein, nein.« Er schüttelt den Kopf. »Sie verstehen nicht. Wir beide teilen uns im Moment dieses Handy, ja?«
»Ja.« Worauf will er hinaus?
»Also könnte diese Nachricht uns beiden gegolten haben. Ich bin nicht verlobt, Poppy.« Er blickt auf und sieht ein wenig grimmig aus. »Aber Sie.«
Einen Moment starre ich ihn an, ohne zu begreifen … dann ist es, als liefe mir etwas Eisiges über den Rücken.
»Nein. Sie meinen … Nein. Nein . Seien Sie nicht blöd.« Ich greife mir das Telefon. »Hier steht Verlobte .« Ich finde das Wort und zeige darauf, um meine Ansicht zu untermauern. »Sehen Sie? Unübersehbar. Verlobte, weiblich .«
»Zugegeben.« Er nickt. »Aber wenn Sie mich fragen, ist das ein Tippfehler. Da fehlt der letzte Buchstabe.«
Ich starre ihn an, fühle mich etwas krank, stelle mir den Text ohne Tippfehler vor. Ihr Verlobter ist Ihnen untreu .
Nein. Das kann doch nicht sein …
Magnus würde niemals …
Es piept, und wir beide zucken zusammen. Der Rest der Nachricht ist gekommen. Schweigend lese ich mir den ganzen Text durch.
Ich bin gar nicht sicher, ob das hier die richtige Nummer ist. Aber ich muss es Ihnen sagen. Ihr Verlobte betrügt Sie. Und zwar mit jemandem, den Sie kennen … Es tut mir leid, Ihnen das so kurz vor der Hochzeit anzutun, Poppy. Aber Sie sollten die Wahrheit wissen. Eine Freundin.
Dann lasse ich das Handy auf den Tisch fallen. In meinem Kopf dreht sich alles.
Das kann doch nicht wahr sein. Unmöglich.
Ich nehme kaum wahr, dass Sam das Handy nimmt und die Nachricht liest.
»Schöne Freundin«, sagt er schließlich und klingt
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