Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
ernst. »Wer es auch sein mag, wahrscheinlich will sie nur Unfrieden stiften. Vermutlich ist gar nichts dran.«
»Genau.« Ich nicke mehrmals. »Genau. Das hat sich bestimmt nur jemand ausgedacht. Irgendwer will mich auf den Arm nehmen.«
Ich versuche, zuversichtlich zu klingen, doch meine bebende Stimme verrät mich.
»Wann ist die Hochzeit?«
»Samstag.«
Samstag. In vier Tagen, und da kriege ich so eine Nachricht.
»Gibt es da niemanden …« Sam zögert. »Gibt es keine, die Sie … verdächtigen würden?«
Annalise .
Der Gedanke schießt mir durch den Kopf, bevor ich ihn kommen sehe. Annalise und Magnus.
»Nein. Ich meine … ich weiß nicht.« Ich wende mich ab, drücke meine Wange an die Scheibe.
Ich will nicht darüber sprechen. Ich will nicht daran denken – Annalise ist meine Freundin. Ich weiß, sie meint, Magnus sollte ihr gehören, aber das kann doch nicht …
Annalise in ihrer Uniform, wie sie Magnus anschmachtet und mit den Wimpern klimpert. Ihre Hände etwas zu lange auf seinen Schultern.
Nein. Hör auf. Hör auf damit, Poppy.
Ich schlage beide Hände vors Gesicht, reibe mir die Augen mit den Fäusten, würde mir am liebsten meine eigenen Gedanken ausreißen. Warum musste mir dieser Jemand diese Nachricht schicken? Warum musste ich sie lesen?
Es kann nicht wahr sein. Kann es einfach nicht. Es ist zu niederträchtig, verletzend, schändlich, schrecklich …
Eine Träne ist meinen Fäusten entronnen und schlängelt sich über meine Wange bis zu meinem Kinn. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Rufe ich Magnus in Brügge an? Störe ich ihn bei seinem Junggesellenabschied? Aber was ist, wenn es nicht stimmt und er böse wird und das Vertrauen zwischen uns für immer zerstört ist?
»Wir sind gleich da.« Sam spricht leise und vorsichtig. »Poppy, wenn Sie der Tagung jetzt nicht gewachsen sind, verstehe ich das vollkommen …«
»Nein. Ich bin allem gewachsen.« Ich lasse meine Fäuste sinken, nehme ein Taschentuch und putze mir die Nase. »Es geht mir gut.«
»Es geht Ihnen nicht gut.«
»Nein. Tut es nicht. Aber … was soll ich denn machen?«
»Antworten Sie dem Scheißkerl. Schreiben Sie: ›Sag mir ihren Namen!‹«
Mit leiser Bewunderung starre ich ihn an. Darauf wäre ich nie gekommen.
»Okay.« Ich schlucke, sammle meinen Mut. »Okay. Ich mach’s.« Als ich nach dem Handy greife, geht es mir schon besser. Zumindest tue ich was. Zumindest sitze ich hier nicht nur rum und leide still vor mich hin. Ich schreibe die SMS , drücke mit einem leichten Adrenalinschub auf Senden und schlürfe den Rest von meinem kalten Tee. Komm schon, Unbekannte Nummer. Spuck’s aus. Sag mir, was du weißt.
»Abgeschickt?« Sam beobachtet mich.
»Jep. Jetzt muss ich nur noch darauf warten, was sie antwortet.«
Der Zug fährt in den Bahnhof von Basingstoke ein, und an den Türen sammeln sich die Passagiere. Ich werfe meinen Becher in den Abfalleimer, schnappe mir meine Tasche und stehe auf.
»Genug von meinen albernen kleinen Problemen.« Ich zwinge mich, Sam anzulächeln. »Kommen Sie. Gehen wir und kümmern wir uns um Ihre.«
78 Wenn ich ganz ehrlich sein soll, habe ich vier Kapitel gelesen.
79 Ich darf das sagen, weil er mein Verlobter ist und ich ihn liebe.
80 Ich weiß nicht genau, wie. Aber ich spüre es instinktiv.
ZWÖLF
D as Chiddingford Hotel ist groß und imposant, mit einem hübschen georgianischen Haupthaus am Ende einer langen Auffahrt und ein paar weniger hübschen Glasbauten, halbwegs hinter einer großen Hecke verborgen. Ich scheine jedoch die Einzige zu sein, die den Anblick zu schätzen weiß, als wir eintreffen. Sam hat nicht gerade allerbeste Laune. Erst hatten wir ein Problem, ein Taxi zu bekommen, dann steckten wir hinter einer Schafherde fest, und dann hat sich der Taxifahrer noch verfranst. Sam war die ganze Zeit dabei, wie wild Kurznachrichten zu schreiben, und als wir ankommen, werden wir auf der Treppe schon von zwei mir unbekannten Männern in Anzügen erwartet.
Sam wirft dem Fahrer ein paar Scheine hin und drückt die Tür auf, als der Wagen noch gar nicht richtig steht. »Poppy, entschuldigen Sie mich kurz. Hi, Männer …«
Die drei stecken auf dem Kiesweg die Köpfe zusammen, und ich steige langsam aus. Das Taxi fährt ab, und ich sehe mich in den gepflegten Gärten um. Da gibt es einen Krocket-Rasen und kunstvoll beschnittene Sträucher und sogar eine kleine Kapelle, die bestimmt hübsch für Hochzeiten ist. Die
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