Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
geschrieben und ins System gestellt. Wir werden rausfinden, wer es war. Poppy hat seine Stimme gehört. Poppy wird sie erkennen.«
»Okay.« Robbie tauscht skeptische Blicke mit Mark. »Ich will nur eins sagen, Sam: Wir müssen sehr, sehr vorsichtig sein. Wir arbeiten immer noch daran, den Kollegen diese Neuigkeit schonend beizubringen. Wenn Sie mit wilden Anschuldigungen lospoltern …«
»Ich werde mit gar nichts lospoltern.« Sam mustert ihn finster. »Vertrauen Sie mir einfach. Verdammt.«
»Und was wollen Sie jetzt tun?«, fragt Mark ehrlich interessiert.
»Herumlaufen. Zuhören. Die Nadel im Heuhaufen suchen.« Sam wendet sich mir zu. »Sind Sie bereit, Poppy?«
»Absolut.« Ich nicke und versuche zu verbergen, dass mir eher panisch zumute ist. Halb wünschte ich schon, ich hätte diese Nachrichten nie aufgeschrieben.
»Und dann …?« Robbie scheint immer noch nicht zufrieden.
»Dann sehen wir weiter …«
Es herrscht Schweigen im Raum.
»Okay«, sagt Robbie schließlich. »Machen Sie. Legen Sie los. Ich schätze, schaden kann es wohl nicht. Aber wie wollen Sie Poppys Anwesenheit erklären?«
»Neue Assistentin?«, schlägt Mark vor.
Sam schüttelt den Kopf. »Ich habe schon eine neue Assistentin, und die halbe Etage hat sie heute früh kennengelernt. Machen wir es nicht zu kompliziert. Sagen wir einfach, Poppy überlegt, bei uns anzufangen. Ich führe sie herum. Ist Ihnen das recht, Poppy?«
»Ja! Klar.«
»Haben Sie die Personalliste?«
»Hier.« Robbie reicht sie ihm. »Aber seien Sie diskret, Sam.«
Mark hat die Tür ein Stück weit geöffnet und späht in die Lobby.
»Die Leute kommen raus«, sagt er. »Jetzt gehören sie Ihnen.«
Wir treten aus dem Nebenraum in die Lobby. Beide Doppeltüren stehen offen, und Menschen strömen daraus hervor, alle mit Namensschildern, plaudernd, lachend. Sie sehen noch ziemlich frisch aus, wenn man bedenkt, dass es halb sieben ist und sie sich schon den ganzen Nachmittag Reden anhören.
»Es sind so viele.« Ich starre die einzelnen Grüppchen an und bin total entmutigt.
»Wird schon gehen«, sagt Sam mit fester Stimme. »Sie wissen, dass es eine männliche Stimme war. Dadurch verringern sich die Möglichkeiten erheblich. Wir schlendern einfach durch die Lobby und schließen einen nach dem anderen aus. Ich habe einen Verdacht, aber … ich werde Sie nicht beeinflussen.«
Langsam folge ich ihm durch das Gedränge. Leute nehmen Drinks von Kellnern und begrüßen einander und rufen Witze über die Köpfe anderer hinweg. Es ist ein Heidenlärm. Meine Ohren fühlen sich an wie Radarsensoren, die sich hierhin und dorthin wenden, um den Klang der Stimmen einzufangen.
»Haben Sie unseren Mann schon gehört?«, fragt Sam, als er mir ein Glas Orangensaft reicht. Ich merke, dass er es halb im Scherz, halb voller Hoffnung sagt.
Ich schüttle den Kopf. Es überwältigt mich. Der Lärm in diesem Raum klingt in meinem Kopf wie geschmolzenes Geschrei. Einzelne Stränge kann ich kaum ausmachen, geschweige denn den Klang einer Stimme, die ich zwanzig Sekunden lang gehört habe, vor Tagen, am Handy.
»Okay, gehen wir systematisch vor.« Sam spricht fast mit sich selbst. »Wir bewegen uns in konzentrischen Kreisen durch den Raum. Klingt das wie ein Plan?«
Ich lächle ihn an, aber noch nie im Leben stand ich dermaßen unter Druck. Niemand anders könnte tun, was ich tue. Niemand anders hat diese Stimme gehört. Alle Verantwortung lastet auf meinen Schultern. Jetzt weiß ich, wie sich Spürhunde auf Flughäfen fühlen müssen.
Wir halten auf ein paar Frauen zu, die mit zwei Männern mittleren Alters dastehen.
»Hi!«, begrüßt Sam die Runde freundlich. »Amüsieren Sie sich? Ich möchte Ihnen Poppy vorstellen, die sich mal bei uns umsieht … Poppy, das sind Jeremy … und Peter … Jeremy, wie lange sind Sie jetzt schon bei uns? Und Peter? Sind es schon drei Jahre?«
Okay. Jetzt höre ich richtig zu, aus der Nähe, das ist einfacher. Einer der Männer hat eine tiefe, knurrige Stimme, und der andere ist Skandinavier. Nach etwa zehn Sekunden schüttle ich den Kopf, und Sam führt mich zügig zu einer anderen Gruppe, hakt diskret seine Liste ab.
»Hi! Amüsieren Sie sich gut? Ich möchte Ihnen gern Poppy vorstellen, die sich bei uns umsieht. Poppy, Nihal haben Sie ja schon kennengelernt. Und das ist Colin. Sagen Sie, Colin, was treiben Sie denn so in letzter Zeit?«
Es ist doch erstaunlich, wie unterschiedlich Stimmen klingen, wenn man erst mal genauer hinhört.
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