Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
mich mit einem Haufen Scheiße befassen müssen.«
»Bestimmt.« Er zögert. »Kaffee?«
Ich habe heute schon so viel Kaffee getrunken, dass ich zucke wie eine Springbohne … aber andererseits kann ich diese angespannte Atmosphäre nicht länger ertragen. Ich kann sie nicht einschätzen. Ich kann Sam nicht durchschauen. Ich weiß nicht, was ich erwarten oder wollen darf. Wir sind zwei Menschen, die der Zufall zueinandergeführt hat und die nun eine geschäftliche Transaktion durchführen. Mehr nicht.
Aber wieso kriege ich dann jedes Mal ein flaues Gefühl im Magen, wenn er nur den Mund aufmacht, um etwas zu sagen? Was um alles in der Welt hoffe ich denn, von ihm zu hören?
»Kaffee wäre schön, danke. Haben Sie auch koffeinfreien?« Ich sehe Sam zu, wie er sich an der Nespresso-Maschine an der Wand seines Büros zu schaffen macht und versucht, den Milchschäumer zu aktivieren. Ich glaube, es ist eine willkommene Ablenkung für uns beide.
»Kein Problem«, sage ich schließlich, als er frustriert am Schäumer herumrüttelt. »Ich trinke ihn auch schwarz.«
»Sie mögen keinen schwarzen Kaffee.«
»Woher wissen Sie das?«, lache ich überrascht.
»Das haben Sie Lucinda mal in einer Mail geschrieben.« Er dreht sich um, und sein Mund verzieht sich ein wenig. »Meinen Sie denn, nur Sie hätten ein bisschen herumspioniert?«
»Sie haben ein gutes Gedächtnis.« Ich zucke mit den Schultern. »Woran erinnern Sie sich noch?«
Er schweigt. Als sich unsere Blicke treffen, setzt in meinem Herzen ein kleiner Trommelwirbel ein. Seine Augen sind so intensiv und ernst und dunkel. Je länger ich hineinstarre, desto länger möchte ich hineinstarren. Wenn er denkt, was ich denke, dann …
Nein. Hör auf, Poppy. Natürlich tut er das nicht. Ich weiß ja nicht mal genau, was ich eigentlich denke …
»Wissen Sie was? Lassen Sie das ruhig mit dem Kaffee.« Abrupt stehe ich auf. »Ich gehe ein bisschen an die frische Luft.«
»Sicher?« Sam klingt überrascht.
»Ja, ich möchte Ihnen nicht im Weg sein.« Ich weiche seinem Blick aus, als ich an ihm vorbeikomme. »Hab noch was zu erledigen. Wir sehen uns in einer Stunde.«
Ich habe nichts zu erledigen. Ich kann einfach nicht mehr. Meine Zukunft ist aus der Bahn geraten, und ich weiß, dass ich was unternehmen muss, aber im Augenblick bin ich dem nicht gewachsen. Von Sams Büro aus wandere ich bis zur St. Paul’s Cathedral. Ich setze mich auf die Stufen in einen Streifen Sonnenlicht, sehe mir die Touristen an und gebe vor, Ferien vom Ich zu machen. Dann schließlich trete ich den Rückweg an. Sam ist am Telefon, als man mich in sein Büro führt, und er nickt mir zu, deutet entschuldigend auf den Hörer.
»Klopf, klopf!« Teds Kopf kommt hinter der Tür hervor, und ich erschrecke. »Alles fertig. Wir hatten drei Fachleute daran.« Er kommt mit einem dicken Packen DIN - A 4-Blättern unterm Arm herein. »Das Problem ist nur, dass wir jeden Text auf ein einzelnes Blatt drucken mussten. Der Haufen ist fast so dick wie Krieg und Frieden .«
»Wow.« Ich kann nicht glauben, wie viel Papier er in der Hand hält. Ich kann doch unmöglich so viele Mails und Nachrichten verschickt haben. Ich meine, ich hatte das Handy doch nur ein paar Tage.
»So.« Mit offizieller Geste legt er den Stapel auf den Schreibtisch und teilt ihn in drei Haufen. »Einer von den Jungs hat sie sortiert. Diese hier sind alles Sams. Geschäftsmails und so weiter. Eingang, Ausgang, Entwürfe, alles. Sam, bitte schön.« Er reicht ihm den Stapel, als Sam von seinem Schreibtisch aufsteht.
»Sehr schön, danke«, sagt Sam und blättert darin herum.
»Wir haben auch sämtliche Anhänge ausgedruckt. Die müssten auch auf Ihrem Computer sein, Sam, doch für alle Fälle … und das hier sind Ihre, Poppy.« Er klopft auf einen zweiten Haufen.
»Okay. Danke.« Ich blättere darin herum.
»Und dann ist da dieser dritte Haufen.« Staunend runzelt Ted die Stirn. »Wir wussten nicht genau, was wir damit anfangen sollten. Die … die sind von Ihnen beiden.«
»Was meinen Sie damit?« Sam blickt auf.
»Es ist Ihre Korrespondenz miteinander. Alle Kurznachrichten und E-Mails und was weiß ich, was Sie alles hin und her geschickt haben. In chronologischer Folge.« Ted zuckt mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wer von Ihnen den Stapel haben möchte oder ob wir ihn wegwerfen sollen … Ist was Wichtiges dabei?«
Er legt den Haufen auf den Tisch, und ich starre ungläubig das oberste Blatt an. Es ist ein grobkörniges
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