Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
Zahnarzt.
Nein. Sei nicht blöd. Er war wegen seiner Zähne da. Ich zögere, dann schreibe ich:
Sie haben recht, das hat mich aufgeheitert. Bravo. Wurde auch Zeit.
Gleich darauf antwortet er:
Hätten Sie Zeit für einen Kaffee?
Und zu meinem Entsetzen, ohne Vorwarnung, steigen mir die Tränen in die Augen. Wie kann er sich jetzt melden und mit mir einen Kaffee trinken wollen? Er muss doch gemerkt haben, dass sich die Lage verändert hat. Was hat er denn gedacht, was ich tun würde? Während ich tippe, fangen meine Finger an zu zucken und zu zappeln.
Sie haben mich abgebügelt.
Bitte?
Sie haben mir die Mauer-Mail geschickt.
Ich verschicke nie E-Mails. Das wissen Sie doch. Muss wohl meine Assistentin gewesen sein. Die ist etwas übereifrig.
Er hat sie gar nicht geschickt?
Okay, jetzt weiß ich nicht mehr weiter. Gleich muss ich weinen oder hysterisch lachen oder sonst was . Ich hatte mir alles so schön zurechtgelegt. Ich wusste, wo alles war und wo ich stand. Jetzt steht wieder alles kopf.
Das Handy piept mit einer Nachricht von Sam:
Sie sind doch nicht gekränkt, oder?
Ich schließe die Augen. Ich muss mich erklären. Aber was soll ich … wie soll ich …
Schließlich schreibe ich mit geschlossenen Augen:
Sie verstehen nicht.
Was verstehe ich nicht?
Ich bringe es nicht fertig, die Worte zu schreiben. Irgendwie kann ich es nicht. Stattdessen mache ich den Arm so lang wie möglich, fotografiere mich, dann betrachte ich das Ergebnis.
Ja. Auf dem Bild ist alles zu erkennen: mein Schleier, mein Kopfschmuck, mein Hochzeitskleid und in der Ecke mein Maiglöckchenstrauß. Es kann absolut kein Zweifel daran bestehen, was los ist.
Ich drücke »Sam Mobil« und dann Senden. So. Es fliegt durch den Äther. Jetzt weiß er Bescheid. Danach werde ich wahrscheinlich nie wieder von ihm hören. Das war’s. Es war eine merkwürdige, ganz und gar unbedeutende Begegnung zweier Menschen, und die ist nun zu Ende. Seufzend sinke ich auf einen Stuhl. Die Glocke über mir hat aufgehört zu schlagen, und eine seltsame Stille macht sich breit.
Und plötzlich piept mein Handy los. Manisch, wie eine Sirene. Erschrocken nehme ich das iPhone, und die Kurznachrichten stapeln sich nur so in meiner Eingangsbox: eine nach der anderen, alle von Sam.
Nein.
Nein nein nein nein nein.
☹
Nicht!
Das können Sie nicht machen.
Ist das Ihr Ernst?
Poppy, wieso?
Ich atme schnell und scharf, als ich die Worte lese. Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, mich auf ein Gespräch einzulassen, doch schließlich halte ich es nicht mehr aus. Ich muss antworten.
Was denken Sie? Dass ich hier einfach so verschwinde? Da sitzen 200 Leute und warten.
Umgehend kommt Sams Antwort:
Glauben Sie, dass er Sie liebt?
Ich drehe den geflochtenen Goldring um meinen Finger an der rechten Hand und versuche verzweifelt, mir einen Weg durch die widersprüchlichen Gedanken zu bahnen, die in meinem Kopf herumfliegen. Liebt mich Magnus? Ich meine … was ist denn Liebe? Niemand weiß genau, was Liebe ist. Niemand kann es beweisen. Aber wenn dir in Brügge jemand einen Ring aussucht, für dich allein, dann muss das doch wohl ein guter Anfang sein, oder?
Ja.
Ich glaube, Sam war wohl auf meine Antwort vorbereitet, denn seine Antworten kommen schnell, drei hintereinander.
Nein.
Sie irren sich.
Stopp. Stopp. Stopp. Nein. Nicht.
Am liebsten würde ich ihn anschreien. Das ist nicht fair. Er darf das jetzt nicht sagen. Er darf mich nicht durcheinanderbringen.
Und was soll ich tun???
Das schicke ich gerade ab, als die Tür aufgeht. Es ist Reverend Fox, gefolgt von Toby, Tom, Annalise und Ruby, die alle aufgeregt durcheinanderreden.
»O mein Gott! Dieser Verkehr! Ich dachte schon, wir würden es nie schaffen.«
»Ja, aber sie können ja schlecht ohne dich anfangen, oder? Es ist wie beim Fliegen.«
»Das können sie sehr wohl. Die haben mal mein Gepäck aus meinem Flieger geholt, nur weil ich kurz mal eine Jeans anprobiert hatte und deshalb die Ansage nicht hören konnte …«
»Gibt es hier einen Spiegel? Ich muss dringend neues Lipgloss auflegen …«
»Poppy, wir haben dir ein paar Kekse mitgebracht …«
»Sie will keine Kekse! Sie muss schlank sein für ihren großen Augenblick!« Annalise fällt über mich her. »Was ist mit deinem Schleier passiert? Der ist ja ganz verknittert. Und dein Kleid sitzt schief! Lass mich mal …«
»Alles klar, Missy?« Ruby drückt mich an sich, während Annalise an meiner Schleppe herumzupft. »Bist du
Weitere Kostenlose Bücher