Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
die Idee, mir vorzuschlagen, dass ich auf dem Weg zu meiner Hochzeit Zeitung lesen soll. Als wäre mir so langweilig, dass ich Unterhaltung bräuchte.
Allerdings kann ich gar nicht anders, als schnell mal den Guardian durchzublättern, als Toby zum allerletzten Mal schnell zur Toilette geht. Auf Seite 5 finde ich ein Foto von Sam unter der Schlagzeile: »Skandal erschüttert Geschäftswelt«, und sobald ich es sehe, krampft sich mir der Magen zusammen.
Aber nicht so sehr wie sonst. Da bin ich mir sicher.
Der Wagen ist ein schwarzer Rolls-Royce, der in meiner unscheinbaren Straße in Balham enorm Eindruck macht. Ein paar Nachbarn haben sich versammelt, um zu sehen, wie ich herauskomme. Ich tanze eine kleine Pirouette, und alle klatschen, als ich in den Wagen steige. Wir fahren los, und ich komme mir vor wie eine echte, strahlende, glückliche Braut.
Nur kann ich wohl nicht so strahlend und glücklich aussehen, denn als wir die Buckingham Palace Road entlangfahren, beugt sich Tom vor und sagt: »Poppy? Ist dir übel oder was?«
»Wie?«
»Du siehst krank aus.«
»Nein, tu ich nicht.« Ich mustere ihn düster.
»Tust du wohl«, sagt Toby und sieht mich misstrauisch an. »Irgendwie so … grün.«
»Ja, grün.« Toms Miene hellt sich auf. »Genau das meinte ich. Als müsstest du gleich spucken. Musst du gleich spucken?«
Das ist so typisch für meine Brüder. Wieso konnte ich keine Schwestern haben, die mir sagen, dass ich wundervoll aussehe, und mir ihr Rouge leihen?
»Nein, ich muss nicht gleich spucken! Und es ist ganz egal, wie ich aussehe.« Ich wende mich ab. »Hinter dem Schleier kann mich sowieso keiner sehen.« Mein iPhone piept, und ich hole es aus meinem kleinen Brauttäschchen. Es ist eine SMS von Annalise.
Fahrt nicht die Park Lane rauf! Unfall! Wir stecken fest!
»Hey.« Ich beuge mich zum Fahrer vor. »Auf der Park Lane hat es einen Unfall gegeben.«
»Gut, dass Sie das sagen.« Er nickt. »Dann nehmen wir einen anderen Weg.«
Als wir in die kleine Seitenstraße einscheren, merke ich, dass Tom und Toby Blicke tauschen.
»Was?«, sage ich schließlich.
»Nichts«, sagt Toby beschwichtigend. »Lehn dich einfach zurück und entspann dich. Soll ich dir ein paar Witze erzählen, um dich abzulenken?«
»Nein. Danke.«
Ich starre aus dem Fenster, sehe die Straßen vorüberfliegen. Und plötzlich, bevor ich so richtig bereit bin, sind wir da. Die Kirchenglocke läutet, als wir aus dem Wagen steigen. Ein paar verspätete Gäste, die ich nicht kenne, laufen die Treppe hinauf, die Frau hält ihren Hut fest. Sie lächeln mich an, und ich nicke unsicher.
Es ist real. Ich tue es wirklich. Es ist der glücklichste Tag in meinem Leben. Ich sollte mir jeden Augenblick einprägen. Besonders, wie glücklich ich bin.
Tom betrachtet mich und schneidet eine Grimasse. »Pops, du siehst schrecklich aus. Ich sag dem Pfarrer, dass du krank bist.« Er stürmt an mir vorbei in die Kirche.
»Nein, nein! Ich bin nicht krank!«, rufe ich wütend, aber es ist zu spät. Er ist nicht mehr davon abzubringen. Und tatsächlich kommt Reverend Fox im nächsten Moment mit sorgenvoller Miene aus der Kirche geeilt.
»Ach du meine Güte, Ihr Bruder hat recht«, sagt er, sobald er mich sieht. »Sie sehen nicht gesund aus.«
»Es geht mir aber gut!«
»Wieso nehmen Sie sich nicht ein paar Minuten Zeit, um sich zu fangen, bevor wir mit dem Gottesdienst beginnen?« Er führt mich in einen kleinen Nebenraum. »Setzen Sie sich einen Moment, trinken Sie ein Glas Wasser. Möchten Sie vielleicht ein Plätzchen? Da sind welche im Gemeindesaal. Wir müssen sowieso noch auf die Brautjungfern warten. Ich vermute, die stecken im Verkehr fest, was?«
»Ich halte auf der Straße nach ihnen Ausschau«, sagt Tom. »Die können nicht mehr lange brauchen.«
»Ich hol die Kekse«, stimmt Toby mit ein. »Kommst du zurecht, Schwesterchen?«
»Klar.«
Alle gehen hinaus, und ich bleibe ganz allein in dem stillen Raum zurück. Ein winziger Spiegel steht auf einem Regal, und als ich hineinsehe, schrecke ich zurück. Ich sehe wirklich krank aus. Was ist los mit mir?
Mein iPhone plingt, und überrascht werfe ich einen Blick hinein. Ich habe eine Kurznachricht von Mrs. Randall.
6-4, 6-2. Danke, Poppy!
Sie hat es geschafft! Sie stand wieder auf dem Tennisplatz! Das ist die beste Nachricht des Tages. Und ganz plötzlich wünschte ich, ich wäre bei der Arbeit, weit weg von hier, damit beschäftigt, jemanden zu behandeln, etwas Sinnvolles zu tun
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