Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
wir getauscht. Was nicht meine Schuld war .
»Also.« Ruby blickt von ihrem Schreibblock auf. »Gehen wir kurz die Fakten durch, Miss Wyatt. Am 15. Dezember letzten Jahres haben Sie Mr. Magnus Tavish hier in dieser Praxis behandelt.«
»Ja.«
»Wegen welcher Verletzung?«
»Ein verstauchtes Handgelenk vom Skilaufen.«
»Und während dieser Behandlung, hat er da … unangemessenes Interesse an Ihnen gezeigt? Oder Sie an ihm?«
Ich dachte an diesen ersten Augenblick, als Magnus in mein Behandlungszimmer kam. Er trug einen langen grauen Tweedmantel, und seine rotbraunen Haare glitzerten vom Regen, und sein Gesicht war rot vom Laufen. Er war zehn Minuten zu spät dran und kam sofort zu mir, nahm meine Hände und sagte: »Es tut mir schrecklich leid«, mit dieser angenehmen, gebildeten Stimme.
»Ich … äh … nein«, sage ich trotzig. »Es war ein ganz normaler Termin.«
Während ich das sage, weiß ich zugleich, dass es nicht stimmt. Bei ganz normalen Terminen fängt das Herz nicht an zu rasen, wenn man den Arm des Patienten nimmt. Die Nackenhaare stellen sich einem nicht auf. Man hält seine Hand nicht ein wenig länger fest als nötig.
Nicht dass ich irgendwas davon sagen könnte. Dann würde ich tatsächlich rausfliegen.
»Ich habe den Patienten bei mehreren Terminen behandelt.« Ich versuche, ruhig und professionell zu klingen. »Als uns unsere gegenseitige Zuneigung bewusst wurde, war die Behandlung bereits beendet. Von daher gab es unter moralischen Gesichtspunkten nichts auszusetzen.«
»Mir hat er erzählt, es war Liebe auf den ersten Blick!«, fährt Annalise mich an. »Wie erklärst du das ? Er hat mir erzählt, ihr hättet euch vom ersten Moment an gefallen, und am liebsten hätte er dich gleich auf der Couch vernascht. Er meinte, in deiner Uniform hättest du einfach unfassbar sexy ausgesehen.«
Ich werde Magnus erschießen . Warum musste er das erzählen?
»Einspruch!« Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu. »Der Beweis wurde unter dem Einfluss von Alkohol beschafft, nicht unter professionellen Umständen. Daher ist er vor Gericht nicht zulässig.«
»Doch, ist er wohl! Und du stehst unter Eid!« Sie deutet mit dem nackten Finger auf mich.
»Einspruch stattgegeben«, unterbricht Ruby und blickt von ihrem Schreibblock auf, mit einem wehmütigen Ausdruck in den Augen. »War es wirklich Liebe auf den ersten Blick?« Sie beugt sich vor, und ihr mächtiger Busen quillt einfach überall aus dem Kasack hervor. »Hast du es gewusst ?«
Ich schließe die Augen und versuche, mir diesen Tag vorzustellen. Ich bin mir nicht sicher, was ich wusste, nur dass ich ihn auch am liebsten auf dem Sofa vernascht hätte.
»Ja«, sage ich schließlich. »Ich glaube schon.«
»Das ist so romantisch.« Ruby seufzt.
»Und unmoralisch!«, geht Annalise scharf dazwischen. »In dem Moment, als er Interesse an dir gezeigt hat, hättest du sagen müssen: ›Mein Herr, Ihr Betragen ist unangemessen. Ich möchte diese Behandlung abbrechen und Sie zu einer anderen Therapeutin überweisen.‹«
»Ach, zu einer anderen Therapeutin!« Da kann ich nur lachen. »Zu dir , rein zufällig?«
»Vielleicht! Wieso nicht?«
»Und was wäre gewesen, wenn er Interesse an dir gezeigt hätte?«
Stolz hebt sie das Kinn. »Ich wäre mit der Situation umgegangen, ohne meine moralischen Prinzipien zu gefährden.«
»Es war moralisch völlig in Ordnung!«, rufe ich entrüstet. »Es war total moralisch!«
»Ach ja?« Sie kneift die Augen zusammen wie ein Staatsanwalt. »Was hat Sie überhaupt dazu bewogen, mir vorzuschlagen, dass wir die Termine tauschen, Miss Wyatt? Hatten Sie ihn bereits gegoogelt und beschlossen, dass Sie ihn für sich haben wollten?«
Hatten wir das nicht schon mal gehabt?
»Annalise, du wolltest die Termine tauschen! Ich habe nie irgendwas vorgeschlagen! Ich hatte keine Ahnung, wer er war! Wenn du also das Gefühl hast, dass dir was entgangen ist – Pech gehabt. Dann tausch nächstes Mal eben nicht!«
Einen Moment lang sagt Annalise kein Wort. Sie wird immer rosiger im Gesicht.
»Ich weiß«, bricht es schließlich aus ihr hervor, und sie schlägt sich mit der Faust an die Stirn. »Ich weiß! Ich war so dumm ! Warum habe ich nur getauscht?«
»Na und?«, geht Ruby dazwischen. »Annalise. Reiß dich zusammen. Magnus war offensichtlich nicht für dich gedacht. Er war für Poppy gedacht. Ist es von daher nicht egal?«
Annalise schweigt. Ich merke, dass sie noch nicht überzeugt ist.
»Es ist unfair«, murmelt
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