Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
an. Ich brauche einen Moment, mich auf den Text zu konzentrieren, weil er derart mit Blockbuchstaben gespickt ist.
Sam,
du hast mir immer noch nicht geantwortet.
Hast du es eigentlich noch vor? Oder hältst du es für NICHT SO WICHTIG ???????
Himmelherrgottnochmal!
Es ist ja nur die wichtigste Sache IN UNSEREM LEBEN . Wie du so ungerührt durch den Tag gehen kannst … ich weiß es nicht. Ich könnte heulen.
Wir müssen reden, ganz, ganz dringend. Und ich weiß, manches davon ist meine Schuld, aber wenn wir den Knoten nicht gemeinsam entwirren, wie können wir dann wissen, wer an welchem Faden zieht? Wie?
Weißt du, Sam, manchmal weiß ich gar nicht, ob du eigentlich weißt, was du tust. So schlimm ist es. ICH WEISS NICHT, OB DU ÜBERHAUPT WEISST, WAS DU TUST .
Ich sehe, wie du den Kopf schüttelst und wie immer alles abstreitest. Aber so ist es. ES IST SO SCHLIMM, OKAY ???
Wenn du ein menschliches Wesen wärst und auch nur einen Funken Gefühl im Leib hättest, würdest du jetzt weinen. Ich tue es jedenfalls. Und das kommt noch dazu – um zehn habe ich einen Termin mit Carter, den du mir TOTAL VERSAUT hast, weil ich meine BESCHISSENE WIMPERNTUSCHE zu Hause vergessen habe.
Du kannst stolz auf dich sein.
Willow
Meine Augen sind groß wie Untertassen. In meinem ganzen Leben habe ich so was noch nie gesehen.
Ich lese es noch einmal – und merke plötzlich, dass ich kichere. Ich weiß, das sollte ich nicht tun. Es ist nicht lustig. Offensichtlich ist sie wirklich aufgebracht. Und ich weiß, ich habe zu Magnus ein paar ziemlich verdrehte Sachen gesagt, als ich besoffen und hormongesteuert war. Aber nie, nie würde ich so was in einer Mail schreiben und seine Assistentin bitten, es für ihn auszudrucken …
Eine plötzliche Erkenntnis lässt mich aufblicken. Verdammt! Violet ist nicht mehr da. Niemand wird die Mail ausdrucken und Sam auf den Schreibtisch legen. Er wird nichts davon wissen, und er wird nicht antworten, und Willow wird noch wütender werden. Das Schlimme ist, dass ich bei dem Gedanken am liebsten noch lauter lachen möchte.
Ich frage mich, ob sie einen schlechten Tag hat oder ob sie immer so unter Strom steht. Ich kann mich nicht beherrschen und gebe »Willow« in der Suchfunktion ein, und eine ganze Reihe von E-Mails taucht auf. Da ist eine von gestern unter der Überschrift: »Willst du mich ficken oder verarschen, Sam? Oder KANNST DU DICH NICHT ENTSCHEIDEN ???«, und ich kriege gleich den nächsten Lachkrampf. Die beiden scheinen eine von diesen Beziehungen zu haben, in denen es ständig auf und ab geht. Vielleicht werfen sie einander Sachen an den Kopf und kreischen und brüllen sich an und haben dann leidenschaftlichen Sex auf dem Küchentisch …
Unvermittelt plärrt Beyoncé aus dem Handy, und es fällt mir fast aus der Hand, als ich »Sam Mobil« auf dem Display sehe. Plötzlich habe ich so eine Eingebung, dass er ein Hellseher ist und weiß, dass ich sein Liebesleben ausspioniere.
Kein Schnüffeln mehr, schwöre ich mir eilig. Keine Willow-Suche mehr. Ich zähle bis drei – dann nehme ich den Anruf an.
»Oh, hi!« Ich gebe mir Mühe, entspannt und unschuldig zu klingen, als hätte ich gerade an etwas völlig anderes gedacht und mir keineswegs vorgestellt, wie er seine Verlobte zwischen zerbrochenem Geschirr vögelt.
»Hatte ich heute früh eine E-Mail von Ned Murdoch?« Er legt los, ohne auch nur »Hallo« zu sagen.
»Nein, ich habe alle Ihre E-Mails rübergeschickt. Und Ihnen auch einen guten Morgen!«, füge ich fröhlich hinzu. »Mir geht es wirklich gut, und Ihnen?«
»Ich dachte, Sie hätten vielleicht eine übersehen.« Er ignoriert meine kleine Spitze völlig. »Es ist extrem wichtig.«
»Nun, und ich bin extrem gewissenhaft«, erwidere ich spitz. »Glauben Sie mir, alles, was auf diesem Handy ankommt, geht an Sie weiter. Und da war nichts von Ned Murdoch. Übrigens hat jemand namens Willow eben was gemailt«, füge ich beiläufig hinzu. »Ich leite es weiter. Da ist ein Anhang, der ziemlich wichtig klang. Aber selbstverständlich habe ich ihn mir nicht angesehen. Und auch nicht gelesen oder so.«
»Hrrmmm.« Er gibt so ein undefinierbares Knurren von sich. »Und haben Sie Ihren Ring jetzt wiedergefunden?«
»Noch nicht«, füge ich widerwillig hinzu. »Aber der taucht bestimmt wieder auf.«
»Sie sollten auf jeden Fall Ihre Versicherung informieren. Manchmal gibt es da ein Zeitlimit, was mögliche Forderungen betrifft. Ein Kollege von mir hat das mal
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