Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
beeilt habe, denn Lucinda kommt zu spät, wie immer.
Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wieso ich eigentlich eine Hochzeitsplanerin habe. Aber diesen Gedanken behalte ich für mich, denn Lucinda ist eine alte Freundin der Familie Tavish, und jedes Mal, wenn ich Magnus erwähne, sagt sie: »Kommt ihr zwei denn miteinander klar?« Und zwar ganz aufgeregt und mit hoffnungsvoller Stimme, als wären wir zwei vom Aussterben bedrohte Pandas, die sich fortpflanzen sollen.
Es ist nicht so, als würde ich Lucinda nicht mögen . Aber sie stresst mich. Ständig schickt sie mir diese Zwischenberichte, was sie gerade tut und wo sie es tut, und sagt mir die ganze Zeit, dass sie sich für mich allergrößte Mühe gibt, wie zum Beispiel mit den Servietten, was eine endlose Geschichte war und ewig dauerte und drei Ausflüge zum Stofflager in Walthamstow nötig machte.
Außerdem hat sie etwas seltsame Prioritäten. Zum Beispiel hat sie für viel Geld einen » IT -Hochzeitsspezialisten« angeheuert, der pfiffige Dinge wie ein SMS -Alarmsystem eingerichtet hat, um allen Gästen Updates zu schicken 30 , und eine Website, auf der Gäste eintragen können, was sie anziehen wollen, um »unglückliche Überschneidungen« zu vermeiden 31 . Während sie jedoch damit beschäftigt war, hat sie sich nicht um den Caterer gekümmert, den wir haben wollten, sodass es fast schiefgegangen wäre.
Wir treffen uns in der Lobby vom Claridge’s – Lucinda liebt Hotellobbys. Fragt mich nicht, wieso. Zwanzig Minuten sitze ich geduldig da, trinke lauen schwarzen Tee, wünschte, ich hätte abgesagt, und fühle mich immer elender bei dem Gedanken, Magnus’ Eltern gegenüberzutreten. Gerade überlege ich, ob ich zur Toilette gehen und mich übergeben sollte, da taucht sie auf, ganz rabenschwarz wallendes Haar und Calvin-Klein-Parfüm und sechs Moodboards unterm Arm. Ihre pinkfarbenen Wildleder-Kitten-Heels tappen über den Marmorboden, und ihr pinkfarbener Kaschmirmantel weht hinter ihr auf, als hätte sie Flügel.
In ihrem Fahrwasser sehe ich Clemency, ihre »Assistentin« (wenn man eine unbezahlte Achtzehnjährige als Assistentin bezeichnen kann. Auf mich wirkt sie eher wie eine »Sklavin«.). Clemency ist sehr vornehm und sehr süß und hat schreckliche Angst vor Lucinda. Sie hat sich auf Lucindas Anzeige in The Lady gemeldet und erzählt mir dauernd, wie toll es sei, aus erster Hand von einem erfahrenen Profi zu lernen. 32
»Ich habe also mit dem Pfarrer gesprochen. Diese Arrangements werden nicht klappen. Die verdammte Kanzel muss bleiben, wo sie ist.« Lucinda lässt sich auf einem Sessel nieder, ihre langen Beine in superschicken Joseph-Hosen, und die Moodboards entgleiten ihr und fallen zu Boden. »Ich verstehe einfach nicht, wieso die Menschen nicht hilfsbereiter sein können. Ich meine, was sollen wir denn jetzt machen? Und vom Caterer habe ich auch noch nichts gehört …«
Ich kann mich kaum auf das konzentrieren, was sie sagt. Plötzlich wünschte ich, ich hätte mich erst mit Magnus verabredet, ganz allein, um ihm von dem Ring zu erzählen. Dann hätten wir seinen Eltern gemeinsam gegenübertreten können. Ist es dafür schon zu spät? Könnte ich ihm schnell von unterwegs noch eine SMS schicken?
»… und ich habe immer noch keinen Trompeter.« Lucinda atmet scharf aus, mit zwei lackierten Fingernägeln an der Stirn. »Es gibt so viel zu tun. Es ist der Wahnsinn. Der reine Wahnsinn. Es wäre schon hilfreich gewesen, wenn Clemency die Abfolge des Gottesdienstes richtig aufgeschrieben hätte«, fügt sie scharf hinzu.
Die arme Clemency wird rot wie ein Radieschen, und ich werfe ihr einen mitfühlenden Blick zu. Sie kann ja schließlich nichts dafür, dass sie Legasthenikerin ist und »Hymen« statt »Hymne« geschrieben hat, sodass alles noch mal neu gedruckt werden musste.
»Wir schaffen das schon!«, sage ich aufmunternd. »Keine Sorge!«
»Ich kann dir sagen, wenn das hier vorbei ist, brauche ich eine Woche Wellness-Urlaub. Hast du meine Hände gesehen?« Lucinda hält sie mir unter die Nase. »Das ist Stress!«
Ich habe keine Ahnung, wovon sie redet. Ihre Hände sehen für mich total normal aus. Aber ich betrachte sie gehorsam.
»Siehst du? Kaputt! Alles für deine Hochzeit, Poppy! Clemency, bestell mir einen Gin Tonic.«
»Natürlich. Gern.« Eifrig springt Clemency auf.
Ich versuche, einen leisen Anflug von Ärger zu verdrängen. Ständig wirft Lucinda kleine Seitenhiebe ein: »Alles für deine Hochzeit.« »Nur damit du
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