denke, ich sollte besser mal nachfragen, was los ist. Ich wähle seine Nummer und stochere dabei verdrießlich in den Resten des Geburtstagskuchens auf dem Küchentresen herum.
»Super. Poppy. Könnten Sie mir einen großen Gefallen tun?«, sagt er, sobald er dran ist. »Ich bin gerade nicht an meinem Schreibtisch, und irgendwas ist mit meinem Handy los. Ich kann nichts senden, muss aber Viv Amberley eine Mail schreiben. Wären Sie so nett?«
»Ach ja, Vivien Amberley«, setze ich sachkundig an … dann bremse ich mich. Vielleicht sollte ich nicht verraten, dass ich seine gesamte Korrespondenz mit ihr gelesen habe. Sie arbeitet in der Strategieabteilung und hat sich um einen Job bei einer anderen Firma beworben. Sam will sie unbedingt behalten, doch ohne Erfolg, und jetzt hat sie geschrieben, dass sie morgen ihren Abschied nimmt.
Okay. Ich weiß , ich war neugierig. Aber wenn man erst mal anfängt, die E-Mails anderer Leute zu lesen, kann man irgendwann nicht mehr aufhören. Man muss einfach wissen, was passiert ist. Es macht richtig süchtig, sich durch die endlose Folge der Frage-Antwort-Mails zu scrollen und sich die Geschichten zusammenzureimen. Immer rückwärts. Als würde man die kleinen Spindeln des Lebens zurückspulen.
»Wenn Sie ihr eine kurze E-Mail schicken könnten, wäre ich Ihnen wirklich sehr dankbar«, sagt Sam. »Von einer meiner Mail-Adressen. An
[email protected] . Haben Sie das?«
Mal ehrlich: Bin ich jetzt seine persönliche Assistentin?
»Also … na gut«, sage ich zähneknirschend und klicke ihre Adresse an. »Was soll ich schreiben?«
»›Hi, Viv. Ich würde wirklich gern noch mal mit Ihnen darüber sprechen. Bitte rufen Sie mich an und geben Sie mir Bescheid, wann wir uns morgen sehen können. Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden. Sam.‹«
Ich tippe es sorgfältig ein, mit meiner nicht bandagierten Hand – dann zögere ich.
»Haben Sie es abgeschickt?«, sagt Sam.
Mein Daumen liegt auf der Taste, bereit, Senden zu drücken. Aber ich bringe es nicht fertig.
»Hallo?«
»War das gerade ›Viv‹?«, bricht es aus mir hervor. »Sie kann es nicht leiden. Sie möchte gern Vivien genannt werden.«
» Was ?« Sam ist baff. »Woher zum Teufel …?«
»Es stand in einer alten Mail, die weitergeleitet wurde. Sie hat Pete Snell gebeten, sie nicht Viv zu nennen, aber er ist nicht darauf eingegangen. Ebenso wenig Jeremy Atheling. Und jetzt nennen Sie sie auch noch Viv!«
Einen Moment herrscht Stille.
»Poppy«, sagt Sam, und ich stelle mir vor, dass sich seine dunklen Augenbrauen zusammengeschoben haben. »Haben Sie meine E-Mails etwa gelesen?«
»Nein!«, rufe ich empört. »Ich habe nur einen kurzen Blick auf ein paar …«
»Und Sie sind sicher, was Viv angeht.«
»Ja! Natürlich!«
»Ich suche mir die E-Mail mal eben raus …« Während ich warte, stopfe ich mir eine Handvoll Zuckerguss in den Mund. »Sie haben recht.«
»Natürlich habe ich recht!«
»Okay. Könnten Sie ihren Namen in Vivien ändern?«
»Einen Moment …« Ich berichtige die Mail und versende sie. »Erledigt.«
»Danke. Guter Tipp. Das war clever von Ihnen. Sind Sie immer so clever?«
Ja, genau. Ich bin so clever, dass mir bei Scrabble kein anderes Wort als »Sau« einfällt.
»Ja, durchgehend«, sage ich sarkastisch, doch ich glaube nicht, dass er meinen Unterton bemerkt.
»Okay, Sie haben einen gut bei mir. Und es tut mir leid, dass ich gestört habe. Aber die Lage ist ziemlich prekär.«
»Keine Sorge. Ich verstehe schon«, sage ich verständnisvoll. »Wissen Sie, ich bin mir ziemlich sicher, dass Vivien eigentlich bei White Globe Consulting bleiben möchte.«
Uups. Das ist mir so rausgerutscht.
»Ach ja? Ich dachte, Sie hätten meine Mails nicht gelesen …«
»Habe ich auch nicht!«, sage ich hastig. »Ich meine … also … vielleicht die eine oder andere. Nur um mir einen Eindruck zu verschaffen.«
»Einen Eindruck?« Er lacht kurz auf. »Okay, Poppy Wyatt, welchen Eindruck haben Sie denn? Ich habe alle anderen nach ihrer Meinung gefragt. Vielleicht möchten Sie ja auch noch Ihren Senf dazugeben. Wieso schert unsere wichtigste Strategin aus und will zu einer kleineren Firma wechseln, obwohl ich ihr alles angeboten habe, was sie sich wünschen könnte, von einer Beförderung über mehr Geld bis hin zu einem eindrucksvolleren Titel …«
»Na, das ist ja gerade das Problem«, falle ich ihm fassungslos ins Wort. Das muss er doch selbst merken … »Sie will das alles