Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
eine bemitleidenswerte Figur zu sein. Und falls er mein Selbstbewusstsein gegenüber seinen Eltern stärken wollte, hat das nicht funktioniert, denn die hören gar nicht zu.
»Selbstverständlich handelt es sich beim Humor um eine Ausdrucksform, die auf dem persönlichen kulturellen Hintergrund basiert«, sagt Wanda skeptisch. »Ich glaube, Jacob C. Goodson äußerte ein paar interessante Überlegungen in ›Darum scherzt der Mensch‹ …«
»Ich glaube, es hieß › Warum scherzt der Mensch?‹«, korrigiert Antony. »Seine These war doch …«
Und schon sind sie wieder woanders. Ich atme aus, mit heißen Wangen. Das ist ja nicht auszuhalten. Ich wünschte, jemand würde mich was über meinen Urlaub fragen oder über die EastEanders oder irgendwas in der Art.
Ich meine, ich liebe Magnus und alles. Doch wir sind erst fünf Minuten hier, und schon bin ich ein nervliches Wrack. Wie soll ich jedes Jahr Weihnachten überstehen? Was ist, wenn unsere Kinder alle superschlau sind und ich nicht verstehe, was sie sagen, und sie auf mich herabsehen, weil ich keinen Doktortitel habe?
Ein beißender Geruch liegt in der Luft, und plötzlich merke ich, dass die Bolognese anbrennt. Wanda steht nur da am Herd, quasselt von Aristoteles und kriegt nichts mit. Sanft nehme ich ihr den Löffel aus der Hand und fange an zu rühren. Gott sei Dank braucht man dafür keinen Nobelpreis.
Mich ums Essen zu kümmern gab mir wenigstens das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Eine halbe Stunde später jedoch sitzen wir alle um den Tisch, und schon fehlen mir vor lauter Panik wieder die Worte.
Kein Wunder, dass Antony und Wanda mich nicht zur Schwiegertochter haben wollen. Offensichtlich halten sie mich für eine dusselige Trine. Wir haben die Bolognese schon halb hinter uns, und noch immer habe ich kein einziges Wort von mir gegeben. Es fällt mir unglaublich schwer. Das Gespräch ist wie ein Moloch. Oder vielleicht eine Sinfonie. Ja. Und ich bin die Flöte. Ich habe sehr wohl eine Melodie und würde sie auch gern spielen, aber es gibt keinen Dirigenten, der mich dazuholt. Also hole ich immer wieder Luft und kneife dann doch.
»… der Verlagslektor sah das leider anders. Also wird es keine neue Auflage meines Buches geben.« Antony schnalzt bedauernd mit der Zunge. » Tant pis .«
Plötzlich bin ich alarmiert. Endlich verstehe ich das Gespräch und habe etwas zu sagen!
»Das ist ja schrecklich!«, stimme ich tröstend mit ein. »Warum wollen die denn keine neue Auflage?«
»Es fehlt die Leserschaft. Es fehlt die Nachfrage.« Antony stößt einen theatralischen Seufzer aus. »Ach, na ja. Ist auch egal.«
»Das ist überhaupt nicht egal!« Ich bin ganz aufgedreht. »Wieso schreiben wir nicht alle an den Lektor und tun so, als wären wir Leser, und sagen, wie toll wir das Buch finden, und fordern eine Neuauflage?«
Schon bin ich dabei, die Briefe zu planen. Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin schockiert, dass es keine Neuauflage dieses wunderbaren Buches geben soll . »Wir könnten sie in unterschiedlichen Schriften ausdrucken und im ganzen Land einwerfen …«
»Und würdest du persönlich tausend Exemplare kaufen?« Antony betrachtet mich mit falkengleichem Blick.
»Ich … äh …« Ich zögere, weiß nicht weiter. »Vielleicht …«
»Denn wenn der Verlag tausend Bücher druckt, die sich nicht verkaufen, stünde ich leider noch schlechter da als vorher, Poppy.« Er sieht mich mit bitterem Lächeln an. »Verstehst du?«
Ich komme mir total bescheuert vor.
»Stimmt«, murmle ich. »Ja. Ich … ich verstehe. Tut mir leid.«
Um meine Haltung zu wahren, fange ich an, die Teller abzuwaschen. Magnus skizziert für Felix ein Argument auf einem Blatt Papier, und ich bin mir gar nicht sicher, ob er überhaupt was mitbekommen hat. Gedankenverloren lächelt er mich an und tätschelt meinen Hintern, als ich an ihm vorbeikomme. Was es – offen gesagt – nicht ernstlich besser macht.
Aber als wir uns dann um den Pudding versammeln, bringt Magnus mit der Gabel sein Glas zum Klingen und erhebt sich.
»Ich möchte einen Toast auf Poppy ausbringen«, sagt er mit fester Stimme. »Und sie in unserer Familie willkommen heißen. Sie ist nicht nur schön. Sie ist ein fürsorglicher, lustiger und wunderbarer Mensch. Ich kann mich glücklich schätzen.«
Er sieht sich am Tisch um, als wollte er die Anwesenden herausfordern, ihm zu widersprechen, und ich werfe ihm ein dankbares, kleines Lächeln zu.
»Außerdem möchte ich Mum und Dad wieder zu
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