Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
Liege ganz herunterfährt. »Mmm. Ich erinnere mich an dieses Bett.«
»Das ist kein Bett. Das ist ein Behandlungstisch!«
»Ist das Massageöl?« Er greift nach einer Flasche in der Nähe.
»Schscht!«, zische ich. »Ruby ist da draußen! Ich musste schon eine disziplinarische Anhörung über mich ergehen lassen …«
»Und was ist das für ein Ding? Ultraschall?« Er hat sich den Ultraschallstab genommen. »Ich wette, damit könnten wir uns prima amüsieren. Wird er warm?« Seine Augen leuchten. »Vibriert er?«
Es ist, als müsste ich ein Kleinkind bändigen.
»Das können wir nicht machen! Tut mir leid.« Ich weiche zurück, schiebe den Behandlungstisch zwischen ihn und mich. »Das können wir nicht machen. Das können wir einfach nicht machen !« Ich streiche meine Uniform glatt.
Einen Moment lang schmollt Magnus dermaßen, dass ich schon denke, gleich schreit er mich an.
»Tut mir leid«, sage ich noch einmal. »Aber das ist genauso, als würde ich dich bitten, Sex mit einer Studentin zu haben. Man würde dich feuern. Deine Karriere wäre beendet!«
Magnus scheint mir widersprechen zu wollen – dann überlegt er es sich anders.
»Na super.« Mürrisch zuckt er mit den Schultern. »Ganz toll. Und was sollen wir jetzt machen?«
»Wir könnten alles Mögliche machen!«, sage ich beschwingt. »Plaudern? Die Hochzeit durchgehen? Es sind nur noch acht Tage!«
Magnus antwortet nicht. Das muss er auch nicht. Er dünstet förmlich mangelnden Enthusiasmus aus.
»Oder was trinken?«, schlage ich schließlich vor. »Wir haben noch Zeit, in den Pub zu gehen, bevor die Probe anfängt.«
»Na gut«, sagt er schließlich schweren Herzens. »Gehen wir was trinken.«
»Wir kommen wieder her«, ködere ich ihn. »Ein andermal. Vielleicht an einem Wochenende.«
Was zum Teufel verspreche ich da? O Gott. Darum kümmere ich mich, wenn es so weit ist.
Als wir aus meinem Zimmer treten, blicken Ruby und Annalise von Zeitschriften auf, die sie ganz offensichtlich nicht gelesen haben.
»Alles okay?«, sagt Ruby.
»Ja, prima!« Wieder streiche ich meinen Rock glatt. »Nur Hochzeitslappalien. Schleier, Mandeln, solche Sachen … wie dem auch sein, wir sollten lieber mal los …«
Eben habe ich mich im Spiegel gesehen. Meine Wangen sind knallrot, und ich rede Unsinn. Sehr verräterisch.
»Hoffe, es läuft gut.« Ruby wirft einen bedeutungsvollen Blick auf den Ring, dann auf mich.
»Danke.«
»Halt uns auf dem Laufenden!«, wirft Annalise ein. »Was auch passiert. Wir wollen es unbedingt wissen!«
Der entscheidende Punkt ist, dass der Ring Magnus getäuscht hat. Und wenn er Magnus getäuscht hat, wird er doch sicher auch seine Eltern täuschen, oder? Als wir bei der Generalprobe ankommen, bin ich optimistisch wie lange nicht mehr. St. Edmund ist eine große, prunkvolle Kirche in Marylebone. Wir haben sie ausgesucht, weil sie so hübsch ist. Als wir eintreten, übt gerade jemand ein schmissiges Stück auf der Orgel. Alle Bänke sind für eine andere Hochzeit mit rosafarbenen und weißen Blumen geschmückt, und es herrscht eine erwartungsvolle Atmosphäre.
Plötzlich werde ich vor Aufregung ganz kibbelig. In acht Tagen sind wir dran! Morgen in einer Woche wird der Raum mit weißer Seide und Sträußchen geschmückt sein. Meine Familie und alle meine Freunde werden gespannt warten. Der Trompeter wird auf der Orgelempore stehen, und ich werde mein Kleid tragen, und Magnus wird in seinem Designer-Cutaway am Altar stehen. 62 Es passiert wirklich!
Ich sehe Wanda schon in der Kirche stehen, wo sie sich eine alte Statue ansieht. Als sie sich umdreht, zwinge ich mich dazu, selbstbewusst zu winken, als wäre alles gut, und wir wären beste Freundinnen, und sie und ihr Mann würden mir keine Angst einjagen.
Magnus hat recht, sage ich mir. Ich habe überreagiert. Ich war viel zu empfindlich. Wahrscheinlich können sie es kaum erwarten, mich in den Schoß der Familie aufzunehmen.
Schließlich habe ich sie alle beim Scrabble geschlagen, oder?
»Stell dir vor …« Ich nehme Magnus’ Arm. »Jetzt ist es nicht mehr lang.«
»Hallo?« Magnus spricht in sein Handy, das offenbar auf Vibrationsalarm steht. »Oh, hi, Neil.«
Toll. Neil ist Magnus’ eifrigster Student und schreibt an seiner Diplomarbeit über »Symbole im Werk von Coldplay«. 63 Die beiden werden stundenlang telefonieren. Lautlos formt sein Mund eine Entschuldigung, dann verschwindet er aus der Kirche.
Man sollte meinen, er hätte sein Handy ausstellen können.
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