Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
Meins ist jedenfalls aus.
Na gut, egal.
»Hallo!«, rufe ich, als Wanda den Mittelgang hinunterkommt. »Schön, dich zu sehen! Ist es nicht spannend?«
Ich halte ihr meine Hand mit dem Ring nicht gerade hin, aber ich verstecke sie auch nicht. Sie bleibt neutral. Sie ist die Schweiz unter den Händen.
» Poppy .« Wie immer stürzt sich Wanda theatralisch auf meine Wange. »Mein liebes Kind. Lass mich dir Paul vorstellen. Wo ist er nur geblieben? Was macht denn deine Verbrennung eigentlich?«
Einen Augenblick kann ich mich gar nicht rühren.
Paul. Der Dermatologe. Scheiße. Den Dermatologen hatte ich ganz vergessen. Wie konnte ich den Dermatologen vergessen? Wie konnte ich so dumm sein? Ich war dermaßen erleichtert, dass ich den Ersatzring hatte, dass ich gar nicht mehr daran gedacht habe, dass ich angeblich lebensgefährliche Brandverletzungen habe.
»Du hast deinen Verband abgenommen«, bemerkt Wanda.
»Oh.« Ich schlucke. »Ja. Habe ich. Weil … weil es meiner Hand schon besser geht. Viel besser.«
»Aber man kann gar nicht vorsichtig genug sein, selbst bei kleinen Verletzungen.« Wanda führt mich den Gang entlang, und ich kann nichts anderes tun, als gehorsam weiterzugehen. »Ein Kollege von uns in Chicago hat sich den Zeh angestoßen und einfach immer weitergemacht, und plötzlich liegt er mit Faulbrand im Krankenhaus! Ich habe zu Antony gesagt …« Wanda unterbricht sich. »Hier ist sie. Die Verlobte. Die Versprochene. Die Patientin.«
Antony und ein ältlicher Mann im roten Pullover mit V-Ausschnitt wenden sich beide von einem Gemälde an einem steinernen Pfeiler ab und betrachten stattdessen mich.
»Poppy«, sagt Antony. »Ich möchte dich unserem Nachbarn Paul McAndrew vorstellen, einem der angesehensten Professoren für Dermatologie im ganzen Land. Spezialist für Verbrennungen. Ist das nicht ein Glücksfall?«
»Wunderbar!« Meine Stimme ist ein nervöses Quieken, und meine Hände sind hinter meinen Rücken gewandert. »Nun, wie gesagt, es geht mir schon viel besser …«
»Lassen Sie mich doch mal sehen«, sagt Paul freundlich und sachlich.
Es gibt kein Entrinnen. Ich winde mich vor Scham, als ich meine linke Hand ausstrecke. Schweigend betrachten alle meine weiche, makellose Haut.
»Wo genau war die Verbrennung?«, fragt Paul schließlich.
»Mh … hier.« Vage deute ich auf meinen Daumen.
»War es eine Verbrühung? Eine Verbrennung von einer Zigarette?« Er hält meine Hand und betastet sie fachmännisch.
»Nein. Es war … mh … von der Heizung.« Ich schlucke. »Die Stelle war richtig wund.«
»Ihre ganze Hand war bandagiert.« Wanda klingt verblüfft. »Sie sah aus wie ein Kriegsopfer! Das war erst gestern!«
»Verstehe.« Der Doktor lässt von meiner Hand ab. »Nun, es scheint wieder okay zu sein, was? Schmerzen? Empfindlich?«
Stumm schüttle ich den Kopf.
»Ich werde Ihnen eine Creme verschreiben«, sagt er freundlich. »Für den Fall, dass die Symptome wiederkehren. Was halten Sie davon?«
Ich sehe, dass Wanda und Antony Blicke tauschen. Super. Offensichtlich halten sie mich für hypochondrisch.
Na gut … okay. Meinetwegen. Damit kann ich leben. Ich werde die Familienhypochonderin sein. Das ist eben eine meiner kleinen Schrullen. Könnte schlimmer sein. Zumindest haben sie nicht gerufen: »Was hast du mit unserem kostbaren Ring gemacht, und was ist das für ein billiges Ding, das du da trägst?«
Und als könnte sie meine Gedanken lesen, wirft Wanda noch einen Blick auf meine Hand.
»Der Smaragdring meiner Mutter! Hast du gesehen, Antony?« Sie zeigt auf meine Hand. »Magnus hat ihn Poppy geschenkt, als er um ihre Hand angehalten hat.«
Okay. Ich denke es mir definitiv nicht aus. Aus ihrer Stimme spricht eine gewisse Schärfe. Und jetzt wirft sie Antony einen bedeutsamen Blick zu. Was ist los? Wollte sie den Ring behalten? Hätte Magnus ihn mir nicht geben sollen? Ich komme mir vor, als wäre ich in ein vertracktes Familienproblem hineingestolpert, das für mich nicht zu erkennen ist, und alle wären zu höflich, es zu erwähnen. Ich werde also nie erfahren, was irgendwer wirklich denkt.
Aber andererseits, wenn der Ring so was Besonderes ist, wieso hat sie dann nicht gemerkt, dass ich eine Fälschung trage? Seltsamerweise bin ich ein klitzekleines bisschen enttäuscht von den Tavishes, dass sie es nicht gemerkt haben. Sie halten sich für dermaßen schlau, können aber nicht mal einen falschen Smaragd erkennen.
»Hübscher Verlobungsring«, sagt Paul höflich.
Weitere Kostenlose Bücher