Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
absagen? Ihm eine kurze Mail schicken, dass das Treffen verschoben werden muss? Oder würde das zwischen den beiden alles nur noch schlimmer machen?
Es gibt da nur einen winzig kleinen Hoffnungsschimmer. Sams Dad hat nie eine Antwort geschickt, weshalb ich die ganze Sache auch vergessen hatte. Vielleicht hat er die Mail also nie bekommen. Vielleicht ist alles okay …
Plötzlich merke ich, dass ich mit Nachdruck nicke, als wollte ich mich selbst überzeugen. Eines der beiden Mädchen, die bei Willow sitzen, blickt auf und mustert mich argwöhnisch. Uups.
»Okay!«, sage ich laut. »Also … ich werde mal … Gut. Ja.« Eilig mache ich auf dem Absatz kehrt. Auf gar keinen Fall möchte ich, dass Willow mich erwischt. Ich haste in Sams schützendes Büro und will Sams Dad gerade eine Mail schicken, als ich sehe, dass Sam und Vicks wieder auf das Büro zusteuern, offenbar in einen hitzigen Streit verwickelt. Sie sehen furchteinflößend aus, und ich merke, dass ich mich instinktiv ins Badezimmer verkrieche.
Als sie hereinkommen, nimmt keiner der beiden Notiz von mir.
»Wir dürfen dieses Statement nicht veröffentlichen«, sagt Sam wütend. Er zerknüllt ein Blatt und wirft es in den Papierkorb. »Das ist der blanke Hohn. Du fügst Nick damit schweren Schaden zu, begreifst du das nicht?«
»Das ist unfair, Sam.« Vicks klingt empfindlich. »Ich halte es für eine vernünftige, sachliche Reaktion vonseiten der Firma. Dieses Statement sagt mit keinem Wort, ob er das Memo geschrieben hat oder nicht …«
»Das sollte es aber! Du solltest klarstellen, dass er so was niemals sagen würde! Du weißt genau, dass er es nicht tun würde!«
»Das sollte er in seiner eigenen persönlichen Erklärung tun. Wir dürfen auf keinen Fall so dastehen, als würden wir diese Praxis billigen …«
»John Gregson im Regen stehen zu lassen war schlimm genug«, sagt Sam leise, als gäbe er sich Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Das hätte nie passieren dürfen. Er hätte seinen Job nicht verlieren dürfen. Aber Nick! Ohne Nick gäbe es diese Firma gar nicht.«
»Sam, wir wollen ihn nicht im Regen stehen lassen. Er wird seine eigene Erklärung veröffentlichen. Da kann er dann sagen, was er will.«
»Super«, sagt Sam sarkastisch. »Aber bis dahin steht seine eigene Geschäftsleitung nicht zu ihm. Soll das ein Ausdruck des Vertrauens sein? Erinnere mich daran, dich nicht um Hilfe zu bitten, falls ich mal in der Klemme sitze.«
Vicks zuckt zusammen, sagt aber nichts. Ihr Handy summt, doch sie drückt das Gespräch weg.
»Sam …« Sie stockt, dann holt sie tief Luft und fängt noch einmal an. »Du bist ein Idealist. Ich weiß, du bewunderst Nick. Das tun wir alle. Aber er ist nicht die Firma. Nicht mehr.« Als sie Sams Blick sieht, verzieht sie das Gesicht, fährt jedoch fort. »Er ist auch nur ein Mensch. Ein brillanter, aber fehlbarer Mensch. Von Mitte sechzig.«
»Er ist unser Leitwolf .« Sams Stimme bebt vor Zorn.
»Bruce ist unser Vorstandsvorsitzender.«
»Nick hat diese Scheißfirma gegründet, wie du dich vielleicht erinnern wirst …«
»Das ist lange her, Sam. Sehr lange.«
Sam atmet scharf aus und geht ein paar Schritte, als müsste er sich beruhigen. Ich sehe ihm dabei zu, gespannt wie ein Flitzebogen, und traue mich nicht zu atmen.
»Also schlägst du dich auf deren Seite«, sagt er schließlich.
»Die Frage ist nicht, auf wessen Seite man steht. Du weißt, wie gern ich Nick habe.« Zunehmend wirkt sie, als wäre ihr unbehaglich. »Aber das hier ist ein modernes Unternehmen. Keine schrullige Familienfirma. Wir sind es unseren Geldgebern schuldig, unseren Kunden, unseren Angestellten …«
»Gott im Himmel, Vicks. Hör dich mal reden.«
Drückendes Schweigen macht sich breit. Die beiden weichen einander aus. Vicks macht ein sorgenvolles Gesicht. Sams Haare sind zerzauster als je zuvor, und er sieht absolut grimmig aus.
Ich bin etwas erstaunt über die Atmosphäre im Raum. Ich hatte immer gedacht, PR würde Spaß machen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so sein könnte.
»Vicks.« Justin Coles unverkennbare Stimme dringt von draußen herein, und im nächsten Augenblick ist er im Zimmer und dünstet Fahrenheit und Selbstgefälligkeit aus. »Alles im Griff, oder?«
»Die Anwälte sind dran. Wir entwerfen gerade eine Pressemitteilung.« Sie schenkt ihm ein schmales Lächeln. »Denn im Sinne der Firma müssen wir darauf achten, dass keiner der anderen Abteilungsleiter durch diese unglücklichen
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