Kein Land für alte Männer
sitzen.
Wells lächelte.
Warum legen Sie nicht die verdammten Blumen hin.
Na gut.
Er stand auf, legte den Blumenstrauß auf das Nachtschränkchen und setzte sich wieder auf den Stuhl. Wissen Sie, was zwei Zentimeter sind?
Ja. Das ist ein Längenmaß.
Es entspricht ungefähr einem Dreiviertel Inch.
Aha.
Um so viel hat die Kugel Ihre Leber verfehlt.
Hat Ihnen der Arzt das gesagt?
Ja. Wissen Sie, was die Leber für eine Aufgabe hat?
Nein.
Sie hält Sie am Leben. Wissen Sie, wer der Mann ist, der Sie angeschossen hat?
Vielleicht war er’s ja gar nicht. Vielleicht war’s einer von den Mexikanern.
Wissen Sie, wer der Mann ist?
Nein. Sollte ich?
Er ist nämlich keiner, den Sie unbedingt kennenlernen wollen. Die Leute, die er kennenlernt, haben in aller Regel eine sehr kurze Zukunft. Praktisch überhaupt keine.
Tja, schön für ihn.
Sie hören nicht zu. Sie müssen aufpassen, was ich sage. Dieser Mann wird nicht aufhören, nach Ihnen zu suchen. Auch wenn er das Geld zurückkriegt. Für ihn macht das keinen Unterschied. Auch wenn Sie zu ihm hingehen und ihm das Geld zurückgeben würden, er würde Sie trotzdem umbringen. Bloß weil Sie ihm Umstände gemacht haben.
Ich glaub, ich hab ein bisschen mehr getan, als ihm Umstände zu machen.
Wie meinen Sie das?
Ich glaub, ich hab ihn getroffen.
Wieso glauben Sie das?
Ich hab ihn mit Doppelnull-Schrot beharkt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm das besonders gutgetan hat.
Wells lehnte sich zurück. Er musterte Moss. Glauben Sie, Sie haben ihn umgebracht?
Ich weiß nicht.
Das haben Sie nämlich nicht. Er ist auf die Straße gekommen, hat jeden einzelnen von den Mexikanern umgebracht und ist dann ins Hotel zurückgegangen. So, wie man sich eine Zeitung holen geht oder so was.
Er hat nicht jeden Einzelnen von ihnen umgebracht.
Auf jeden Fall die, die noch übrig waren.
Sie meinen, er ist nicht getroffen worden?
Ich weiß nicht.
Heißt wohl, wieso sollen Sie mir das sagen.
Wenn Sie so wollen.
Ist er ein Kumpel von Ihnen?
Nein.
Ich hab gedacht, er wär vielleicht ein Kumpel von Ihnen.
Nein, haben Sie nicht. Woher wollen Sie wissen, dass er nicht auf dem Weg nach Odessa ist?
Was soll er denn in Odessa?
Ihre Frau umbringen.
Moss gab keine Antwort. Er lag auf dem groben Leinen und blickte zur Decke auf. Er hatte Schmerzen, die schlimmer wurden. Sie wissen doch gar nicht, was Sie da reden, sagte er.
Ich hab Ihnen ein paar Fotos mitgebracht.
Er stand auf, legte zwei Fotos aufs Bett und setzte sich wieder. Moss warf einen Blick darauf. Was soll ich dazu sagen?, fragte er.
Die Bilder habe ich heute Morgen gemacht. Die Frau hat in einer Wohnung im ersten Stock gewohnt, und zwar in einem der Gebäude, auf die Sie geschossen haben. Die Leiche ist immer noch dort.
Sie reden Scheiße.
Wells musterte ihn. Er drehte sich um und sah zum Fenster hinaus. Sie haben mit der ganzen Geschichte überhaupt nichts zu tun, wie?
Genau.
Sie sind da draußen bloß ganz zufällig auf die Autos gestoßen.
Ich weiß nicht, wovon Sie reden.
Die Ware haben Sie nicht genommen, oder?
Was für eine Ware?
Das Heroin. Das haben Sie nicht.
Nein. Das hab ich nicht.
Wells nickte. Er wirkte nachdenklich. Vielleicht sollte ich Sie fragen, was Sie vorhaben.
Vielleicht sollte ich Sie das fragen.
Ich habe überhaupt nichts vor. Ich muss nichts tun. Sie werden zu mir kommen. Früher oder später. Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig. Ich gebe Ihnen meine Handynummer.
Wieso sind Sie eigentlich so sicher, dass ich nicht einfach verschwinde?
Wissen Sie, wie lange ich gebraucht habe, um Sie zu finden?
Nein.
Ungefähr drei Stunden.
So viel Glück haben Sie vielleicht nicht nochmal.
Nein, vielleicht nicht. Aber das wäre dann nicht gut für Sie.
Ich nehme an, Sie haben mal mit ihm zusammengearbeitet.
Mit wem?
Mit diesem Kerl.
Ja. Habe ich. Früher mal.
Wie heißt er?
Chigurh.
Sugar?
Chigurh. Anton Chigurh.
Woher wollen Sie wissen, dass ich keinen Deal mit ihm mache?
Wells saß vorgebeugt auf dem Stuhl, die Unterarme auf die Knie gestützt, die Finger ineinanderverschränkt. Er schüttelte den Kopf. Sie hören mir nicht zu, sagte er.
Vielleicht glaub ich nur einfach nicht, was Sie sagen.
Doch, das tun Sie.
Vielleicht könnt ich ihn auch erledigen.
Haben Sie große Schmerzen?
Ja. Ziemlich.
Sie haben große Schmerzen. Da fällt einem das Denken schwer. Ich rufe mal eben die Schwester.
Ich bin nicht drauf angewiesen, dass Sie mir irgendwelche Gefallen tun.
Na gut.
Was ist er denn, der übelste Typ auf Gottes weiter Erde?
Ich glaube
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