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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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ließ das schräg ins Zimmer ragende Bett stehen, wie es war, ging zum Schrank hinüber, öffnete die Türen, warf einen Blick hinein und schloss sie wieder.
Er ging ins Badezimmer. Er fuhr mit dem Zeigefinger um den Waschbeckenrand. Ein Waschlappen und ein Handtuch waren benutzt worden, nicht aber die Seife. Mit dem Finger fuhr er an der Innenwand der Badewanne entlang und wischte ihn dann an seinem Hosenbein ab. Er setzte sich auf den Wannenrand und klopfte mit den Füßen auf die Fliesen.
Das andere Zimmer hatte die Nummer 227. Er ging hinein, schloss die Tür, drehte sich um und blieb stehen. Das Bett war unberührt. Die Badezimmertür stand offen. Auf dem Boden lag ein blutiges Handtuch.
Er ging hinüber und stieß die Tür weit auf. Im Waschbecken lag ein blutbefleckter Waschlappen. Das andere Handtuch fehlte. Blutige Handabdrücke. Einer am Rand des Duschvorhangs. Ich hoffe, du hast dich nicht irgendwo in einem Loch verkrochen, sagte er. Ich möchte nämlich gern bezahlt werden.
Am anderen Tag war er schon im Morgengrauen auf den Beinen, durchstreifte die Straßen, prägte sich Einzelheiten ein. Das Pflaster war abgespritzt worden, doch wo Moss angeschossen worden war, konnte man noch Blutflecken auf dem Beton des Bürgersteigs sehen. Er ging zurück zur Main Street und fing von vorne an. Glasscherben in den Rinnsteinen und auf den Bürgersteigen. Teils Fensterglas, teils von geparkten Autos. Die kaputten Fenster waren mit Sperrholzplatten vernagelt, aber man konnte die Einschusslöcher im Mauerwerk und die tränentropfenförmig verschmierten Bleiflecken der vom Hotel aus abgegebenen Schüsse sehen. Er ging zum Hotel zurück, setzte sich auf die Treppe und betrachtete die Straße. Über dem Aztec Theatre ging gerade die Sonne auf. Im ersten Stock fiel ihm irgendetwas ins Auge. Er stand auf, ging los, überquerte die Straße und stieg die Treppe hinauf. Im Fensterglas zwei Einschusslöcher. Er klopfte an die Tür und wartete. Dann öffnete er die Tür und ging hinein.
Das Zimmer abgedunkelt. Leichter Verwesungsgeruch. Er blieb stehen, bis seine Augen sich an die Düsternis gewöhnt hatten. Ein Wohnzimmer. An der gegenüberliegenden Wand ein Pianola oder Harmonium. Eine Frisierkommode. Am Fenster ein Schaukelstuhl, in dem zusammengesackt eine alte Frau saß.
Wells blieb vor ihr stehen und musterte sie. Sie war durch die Stirn geschossen worden und nach vorn gekippt, und an den Stäben der Rückenlehne klebten ein Stück ihres Hinterschädels sowie ein Gutteil getrockneter Gehirnmasse. Auf ihrem Schoß lag eine Zeitung, und das Baumwollkleid, das sie anhatte, war schwarz von getrocknetem Blut. Im Zimmer war es kalt. Wells sah sich um. Auf einem Kalender an der Wand hinter ihr hatte ein zweiter Schuss ein Datum markiert, das drei Tage zurücklag. Es fiel einem zwangsläufig auf. Er sah sich weiter im Zimmer um. Er zog einen kleinen Fotoapparat aus der Jackentasche, machte ein paar Aufnahmen von der toten Frau und steckte die Kamera wieder ein. Hast dir auch was anderes vorgestellt, was, Schätzchen?, sagte er zu ihr.

Moss erwachte in einem Krankenzimmer, einen Vorhang zwischen sich und dem Bett zu seiner Linken. Ein Schattenspiel von Gestalten darauf. Stimmen auf Spanisch. Von der Straße her gedämpfte Geräusche. Ein Motorrad. Ein Hund. Er drehte den Kopf auf dem Kissen und schaute in die Augen eines Mannes, der, einen Blumenstrauß in der Hand, auf einem Metallstuhl an der Wand saß. Wie fühlen Sie sich?, fragte der Mann.
Ich hab mich schon besser gefühlt. Wer sind Sie?
Ich heiße Carson Wells.
Wer sind Sie?
Ich glaube, Sie wissen, wer ich bin. Ich habe Ihnen Blumen mitgebracht.
Moss drehte den Kopf und starrte an die Decke. Wie viele gibt es denn von euch?
Tja, ich würde sagen, im Augenblick müssen Sie sich nur um einen Gedanken machen.
Um Sie.
Was ist mit dem Kerl, der ins Hotel gekommen ist?
Wir können über ihn reden.
Dann reden Sie.
Ich kann dafür sorgen, dass er verschwindet.
Das kann ich selber.
Das glaube ich nicht.
Sie haben ein Recht auf Ihre Meinung.
Wenn Acostas Leute nicht aufgetaucht wären, glaube ich nicht, dass Sie so gut klargekommen wären.
So gut bin ich gar nicht klargekommen.
O doch. Sie sind extrem gut klargekommen.
Moss sah den Mann erneut an. Wie lang sind Sie schon da?
Ungefähr eine Stunde.
Und Sie haben einfach dagesessen. Viel zu tun haben Sie anscheinend nicht, oder?
Ich mache immer gern eins nach dem anderen, falls Sie das meinen.
Sie sehen kreuzdämlich aus, wie Sie da

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