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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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draufsteht. Irgendwas müssen Sie mir schon anbieten. Ich habe wirklich überhaupt keinen Grund, Sie zu schützen.
Haben Sie Schiss vor diesem Kerl?
Wells zuckte die Achseln. Ich würde sagen, ich bin auf der Hut vor ihm.
Von Bell haben Sie gar nichts gesagt.
Bell. Sonst noch wer?
Sie halten wohl nicht viel von ihm.
Ich denke überhaupt nicht an ihn. Er ist ein HinterwäldlerSheriff in einem Provinzkaff in einem Provinz-County. In einem Provinz-Staat. Ich rufe mal eben die Schwester. Ihnen geht es nicht sehr gut. Hier haben Sie meine Nummer. Ich möchte, dass Sie darüber nachdenken. Worüber wir geredet haben.
Er stand auf und legte eine Karte neben die Blumen auf dem Nachtschränkchen. Dann sah er Moss an. Sie glauben, Sie werden mich nicht anrufen, aber Sie werden doch. Nur warten Sie nicht zu lange. Dieses Geld gehört meinem Kunden. Chigurh ist ein Bandit. Die Zeit ist nicht auf unserer Seite. Vielleicht können Sie sogar ein bisschen was davon behalten. Aber wenn ich mir das Geld von Chigurh zurückholen muss, wird es für Sie zu spät sein. Von Ihrer Frau ganz zu schweigen.
Moss gab keine Antwort.
Na schön. Vielleicht wollen Sie sie ja anrufen. Als ich mit ihr gesprochen habe, hat sie sich ziemlich besorgt angehört.
Als er gegangen war, drehte Moss die Fotos um, die auf dem Bett lagen. Wie ein Spieler, der seine untenliegenden Karten checkt. Er schaute auf den Krug Wasser, doch da kam die Schwester herein.
----

VI
    Die jungen Leute heutzutage haben es anscheinend schwer mit dem Erwachsenwerden. Ich weiß nicht, wieso. Vielleicht liegt’s einfach daran, dass man nur so schnell erwachsen wird, wie man muss. Ich hab einen Cousin gehabt, der war schon mit achtzehn Polizist. Und damals schon verheiratet mit Kind. Ein Freund von mir, mit dem ich aufgewachsen bin, der war in dem Alter ordinierter Baptistenprediger. Pastor an einer kleinen Kirche auf dem Land. Nach ungefähr drei Jahren ist er von dort nach Lubbock gegangen, und als er den Leuten gesagt hat, dass er geht, haben sie einfach da in der Kirche gesessen und geheult. Männer wie Frauen. Er hatte sie getraut, getauft und begraben. Er war damals einundzwanzig, vielleicht zweiundzwanzig. Wenn er gepredigt hat, haben sie bis raus auf den Kirchhof gestanden und ihm zugehört. Mich hat das überrascht. In der Schule war er immer ein Stiller. Ich war einundzwanzig, als ich zur Army gegangen bin, und bei der Grundausbildung war ich in meinem Kurs einer der Ältesten. Sechs Monate später war ich in Frankreich und hab mit einem Gewehr auf Menschen geschossen. Damals hab ich das gar nicht für was Besonderes gehalten. Vier Jahre später war ich Sheriff von diesem County. Und ich hab nie einen Zweifel daran gehabt, dass das so auch seine Richtigkeit hat. Die Leute heutzutage, wenn man da über Recht und Unrecht redet, grinsen sie einen wahrscheinlich nur an. Aber ich hab nie große Zweifel gehabt, was solche Sachen angeht. In dem, was ich über solche Sachen denke. Ich hoffe, das bleibt auch so.
Loretta hat mir erzählt, sie hätt in der Zeitung gelesen, dass ein bestimmter Prozentsatz von Kindern in diesem Land von ihren Großeltern aufgezogen wird. Wie hoch er genau war, hab ich vergessen. Ziemlich hoch, kam’s mir vor. Die Eltern wollten sie nicht aufziehen. Wir haben darüber geredet. Wenn dann die nächste Generation so weit ist, haben wir gedacht, und ihre Kinder auch nicht aufziehen will, wer macht es dann? Ihre Eltern sind dann nämlich die einzigen Großeltern, die es gibt, und die wollten ja sie schon nicht aufziehen. Wir haben da keine Antwort gefunden. An meinen besseren Tagen denk ich, dass da irgendwas ist, was ich einfach nicht weiß oder übersehe. Aber die Zeiten sind selten. Manchmal wach ich mitten in der Nacht auf und weiß todsicher, dass kaum was anderes als die Wiederkunft Christi diesen Zug noch stoppen kann. Ich weiß nicht, was es nützt, dass ich deswegen schlaflose Nächte verbringe. Aber so ist es nun mal.
Ich glaub nicht, dass man diesen Job ohne eine Frau machen könnte. Und dazu noch eine ziemlich ungewöhnliche. Köchin, Gefängniswärterin und was weiß ich noch alles. Die Jungs wissen gar nicht, wie gut sie’s haben. Naja, vielleicht doch. Ob ihr was passieren kann, darüber hab ich mir nie Sorgen gemacht.
Einen Gutteil des Jahres kriegen sie frische Sachen aus dem Garten. Leckeres Maisbrot. Feldbohnen. Sogar Hamburger und Pommes hat sie ihnen schon gemacht. Wir haben’s erlebt, dass sie Jahre später wiedergekommen sind und

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