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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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gezählt.
Und?
Es fehlt eins.
Da muss ich mich wohl mal drum kümmern.
Wells lächelte.
Finden Sie selber hinaus?, fragte der Mann.
In Ordnung.
Noch was.
Was denn?
Ich hab mich gefragt, ob Sie mir meinen Parkschein abstempeln könnten.
Der Mann legte den Kopf leicht schräg. Das ist wohl ein Versuch, witzig zu sein.
Entschuldigung.
Guten Tag, Mr. Wells.

Als Wells zum Hotel kam, waren die Absperrbänder verschwunden, man hatte Glas und Holz aus der Eingangshalle gefegt. Die Türen und zwei Fenster waren mit Sperrholzplatten vernagelt, und hinter der Rezeption stand ein neuer Angestellter. Ja, Sir?, sagte er.
Ich brauche ein Zimmer, sagte Wells.
Ja, Sir. Nur für Sie selbst? Und für wie viele Nächte wäre das?
Wahrscheinlich nur die eine.
Der Mann schob Wells den Anmeldeblock zu, drehte sich um und musterte die am Brett hängenden Schlüssel. Wells füllte das Formular aus. Ich weiß, Sie können es schon nicht mehr hören, sagte er, aber was ist mit Ihrem Hotel passiert?
Ich soll nicht darüber sprechen.
Ist schon in Ordnung.
Der Mann legte den Schlüssel auf den Empfangsschalter. Zahlen Sie in bar oder mit Kreditkarte?
In bar. Wie viel macht das?
Vierzehn plus Steuer.
Wie viel das macht. Insgesamt.
Sir?
Ich habe gefragt, wie viel das insgesamt macht. Sie müssen mir sagen, wie viel das macht. Nennen Sie mir eine Zahl. Alles inklusive.
Ja, Sir. Das wären vierzehn siebzig.
Waren Sie da, als das alles hier passiert ist?
Nein, Sir. Ich hab gestern erst hier angefangen. Das ist erst meine zweite Schicht.
Worüber sollen Sie dann nicht reden?
Sir?
Um welche Zeit machen Sie Schluss?
Sir?
Ich will es mal anders formulieren. Um welche Zeit ist Ihre Schicht zu Ende?
Der Mann war groß und dünn, vielleicht Mexikaner, vielleicht aber auch nicht. Sein Blick huschte kurz durch die Eingangshalle. Als wäre dort vielleicht jemand, der ihm helfen könnte. Ich hab um sechs angefangen, sagte er. Die Schicht ist um zwei zu Ende.
Und wer fängt um zwei an?
Wie er heißt, weiß ich nicht. Er war Tagportier.
Er war also vorgestern Nacht nicht hier.
Nein, Sir. Er war Tagportier.
Der Mann, der vorgestern Nacht Dienst gehabt hat. Wo ist der?
Der ist nicht mehr bei uns.
Haben Sie die Zeitung von gestern da?
Der Mann wich zurück und sah unter dem Empfangsschalter nach. Nein, Sir, sagte er. Die ist wohl schon weggeworfen worden.
Na schön. Schicken Sie mir ein paar Nutten und eine Flasche Whiskey mit Eis aufs Zimmer.
Sir?
Ich nehm Sie bloß auf den Arm. Sie müssen sich entspannen. Diese Leute kommen nicht wieder. Das kann ich Ihnen so gut wie garantieren.
Ja, Sir. Das hoffe ich wirklich. Eigentlich wollte ich diesen Job gar nicht annehmen.
Wells lächelte, klopfte mit dem Schlüsselanhänger aus Pressspan zweimal auf die Marmorplatte des Empfangsschalters und ging die Treppe hinauf.
Zu seiner Überraschung waren die Türen beider Zimmer noch mit Absperrband versehen. Er ging weiter in sein Zimmer, stellte seine Tasche auf den Stuhl, entnahm ihr seinen Kulturbeutel, ging ins Bad und schaltete das Licht ein. Er putzte sich die Zähne, wusch sich das Gesicht, ging zurück ins Zimmer und streckte sich auf dem Bett aus. Nach einer Weile stand er auf, ging zum Stuhl, drehte die Tasche zur Seite, öffnete den Reißverschluss eines Bodenfachs und entnahm ihm ein Futteral aus Wildleder. Er öffnete das Futteral, nahm einen .357er Revolver aus rostfreiem Stahl heraus, kehrte zum Bett zurück, zog seine Stiefel aus und streckte sich wieder aus, den Revolver neben sich.
Als er aufwachte, war es fast dunkel. Er stand auf, trat ans Fenster und schob die alte Spitzengardine zurück. Lichter auf der Straße. Über den dunkler werdenden westlichen Horizont zogen lange, stumpfrote Wolkenriffe. Dächer in einer niedrigen, schäbigen Skyline. Er steckte sich den Revolver in den Hosenbund, zog das Hemd aus der Hose, um ihn zu verdecken, und ging auf Strümpfen hinaus und den Flur entlang.
Er brauchte etwa fünfzehn Sekunden, um in Moss’ Zimmer zu gelangen, und er schloss die Tür hinter sich, ohne das Absperrband zu beschädigen. Er lehnte sich an die Tür und sog den Geruch des Zimmers ein. Dann ließ er den Blick durch das Zimmer wandern.
Das Erste, was er tat, war, behutsam über den Teppichboden zu gehen. Als er zu dem Abdruck kam, wo das Bett bewegt worden war, zerrte er dessen Ende von der Wand. Er kniete sich hin, pustete Staub weg, musterte den Flor des Teppichs. Er stand auf, nahm die Kissen in die Hand, roch daran und legte sie wieder hin. Er

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