Kein Land für alte Männer
zog die Pistole aus dem Hosenbund, öffnete die Tür, trat hinaus, schloss sie hinter sich, duckte sich unter dem Absperrband hindurch, ging zu seinem Wagen hinüber und stieg ein.
Er stellte die Tasche auf den Boden und hatte schon nach dem Schlüssel gegriffen, um die Zündung einzuschalten, als er etwa dreißig Meter entfernt den Streifenwagen auf den Parkplatz vor der Motelrezeption fahren sah. Der Streifenwagen schob sich in eine Parklücke, und die Lichter gingen aus. Dann der Motor. Chigurh wartete, die Pistole im Schoß.
Als Bell ausstieg, ließ er den Blick über den Parkplatz wandern, ging dann zur Tür von 117 und drehte den Knauf. Die Tür war unverschlossen. Er duckte sich unter dem Absperrband hindurch, stieß die Tür auf, tastete nach dem Wandschalter, fand ihn und knipste das Licht an.
Das Erste, was er sah, waren die Abdeckung und die Schrauben, die auf dem Tisch lagen. Er schloss die Tür hinter sich und blieb einen Moment lang stehen. Dann trat er ans Fenster und blickte am Rand des Vorhangs vorbei auf den Parkplatz. So blieb er einige Zeit stehen. Nichts rührte sich. Er sah etwas auf dem Boden liegen, ging hin und hob es auf, wusste aber bereits, was es war. Er drehte es hin und her. Er ging zum Bett, setzte sich darauf und wog das kleine Stück Messing in der Hand. Dann legte er es in den Aschenbecher auf dem Nachtschränkchen. Er nahm den Telefonhörer ab, doch die Leitung war tot. Er legte wieder auf, zog seinen Revolver aus dem Holster, öffnete die Ladeklappe, überprüfte die Patronen in der Trommel, schloss die Ladeklappe mit dem Daumen und blieb, die Waffe auf dem Knie, sitzen.
Du weißt nicht mit Sicherheit, dass er da draußen ist, sagte er sich.
Doch, du weißt es. Du hast es schon im Restaurant gewusst. Deswegen bist du auch zurückgekommen. Tja, und was willst du jetzt machen?
Er stand auf, ging zur Tür hinüber und schaltete das Licht aus. Fünf Einschusslöcher in der Tür. Den Revolver in der Hand und den Daumen auf dem gerändelten Hammer, stand er da. Dann öffnete er die Tür und ging hinaus.
Er ging zum Streifenwagen. Musterte die Fahrzeuge auf dem Parkplatz. Größtenteils Pick-ups. Das Mündungsfeuer sieht man immer als Erstes. Nur eben nicht früh genug. Spürt man es, wenn einen jemand beobachtet? Viele Leute glaubten das. Beim Streifenwagen angelangt, öffnete er mit der linken Hand die Tür. Die Innenbeleuchtung ging an. Er stieg ein, zog die Tür zu, legte den Revolver neben sich auf den Sitz, holte seinen Schlüssel hervor, steckte ihn in die Zündung und ließ den Wagen an. Dann stieß er rückwärts aus der Parklücke, schaltete die Scheinwerfer ein und fuhr vom Parkplatz.
Als er außer Sichtweite des Motels war, fuhr er auf den Standstreifen der Interstate-Rampe, nahm das Mikro von der Halterung und rief im Büro des Sheriffs an. Sie schickten zwei Wagen. Er hängte das Mikro wieder ein, stellte den Wagen auf Leerlauf und ließ ihn am Straßenrand rückwärts hinabrollen, bis er das Motelschild wieder sah. Er schaute auf seine Uhr. 1 Uhr 45. Rechnete man die sieben Minuten Reaktionszeit dazu, würde es 1 Uhr 52 werden. Er wartete. Beim Motel rührte sich nichts. Um 1 Uhr 52 sah er sie den Highway entlangkommen und mit eingeschalteter Sirene und Blaulicht in die Ausfahrt einbiegen. Er beobachtete weiter das Motel. Er hatte bereits beschlossen, jedes Fahrzeug, das vom Parkplatz herunterund die Rampe heraufkam, von der Straße zu drängen.
Als die Streifenwagen vor dem Motel vorfuhren, ließ er den Motor an, schaltete die Scheinwerfer ein, wendete, fuhr in der falschen Richtung die Zufahrt hinunter, bog auf den Motelparkplatz ein und stieg aus. Mit Taschenlampen und gezogenen Revolvern gingen sie Fahrzeug für Fahrzeug den Parkplatz ab und kehrten dann zu ihren Autos zurück. Bell war als Erster wieder bei seinem Wagen und lehnte sich daran. Er nickte den Deputys zu. Meine Herren, sagte er. Ich glaube, wir sind ausgetrickst worden.
Sie steckten ihre Revolver weg. Er und der Chief Deputy gingen zu dem Zimmer hinüber, und Bell zeigte ihm das Schloss, den Belüftungsschacht und den Schlosszylinder.
Was hat er damit gemacht, Sheriff?, fragte der Deputy, den Schlosszylinder in der Hand.
Das ist eine lange Geschichte, sagte Bell. Tut mir leid, dass ich euch für nichts und wieder nichts hier rausgescheucht habe.
Kein Problem, Sheriff.
Sagen Sie dem Sheriff, ich rufe ihn von El Paso aus an.
Ja, Sir, wird gemacht.
Zwei Stunden später nahm er sich ein Zimmer im Rodeway Inn
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